ESG report - Ausgabe #9: Habecks Wachstumstheorie | Selbstwirksamkeit

Liebe Leserinnen und Leser,

im ESG-Vertrieb ging es in den vergangenen Monaten zu wie im Wahlkampf: Die Anbieter haben sich im Wettbewerb um Investorengelder überboten mit vollmundigen Versprechungen für eine bessere Zukunft. Doch nun geht uns allen auf, dass es mehr als hehre Ziele braucht, um diese auch zu erreichen. Bei Nähe betrachtet zielt der Vorwurf des Greenwashings also nicht auf eine Lücke zwischen Schein und Sein, sondern auf die zwischen Wollen und Wirken. Es mangelt nicht am ökologischen Willen, sondern an der Tat. Allein Szenarien von einer grünen und gerechten Zukunft vorzulegen, wird kein Verkaufsargument mehr sein, wenn sich der Verdacht weiterverbreitet, dass es sich dabei bloß um leere Versprechungen handeln könnte.

Wie aber dann skeptische Kunden vom Sinn eines ESG-Investments überzeugen? Wir empfehlen, es mehr mit Ergebnissen zu versuchen statt mit Idealen.

In dieser Ausgabe geben wir Ihnen drei Argumente an die Hand, die Ihnen dabei helfen: Die Daten, die wir zusammengestellt haben, deuten an, wie sehr die Welt in Bewegung ist. Wer heute mit seinem Geld in den ESG-Megatrend einsteigt, kann morgen und übermorgen von diesen Veränderungen profitieren. Und von der weiteren Beschleunigung, die wir mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten dürfen.

Viel Erfolg mit der Lektüre unseres neuen Briefings wünscht

Ihre ESG-Redaktion

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Thema der Woche

Mehr Sein als Scheinen: ESG kommt exponentiell

Der Co-Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, hatte im Wahlkampf einen bemerkenswerten Auftritt, den es eigentlich gar nicht geben sollte. Habeck hatte am 23. September in Berlin ein Camp selbsternannter Klimaaktivisten besucht, die per Hungerstreik für einen radikalen Wechsel der Klimapolitik protestierten. Sie forderten ein öffentliches Gespräch mit den Kanzlerkandidaten – Habeck wollte sie im privaten Dialog zum Aufgeben bewegen. Es wurde dann doch ein öffentlicher Auftritt, weil die Aktivisten ihn mit Mikros und Kamera begleiteten.

Das Gespräch verdient auch nach dem Wahlkampf noch Aufmerksamkeit, weil Habeck dort das Klimaschutzkonzept im Wahlprogramm der Grünen verteidigt erklärt. Das verspricht zwar Klimaneutralität, Kohleausstieg und Zulassungsstopps für Benzin- und Diesel-Autos bis zum Jahr 2030. Es kann aber selbst damit das berühmte 1,5-Grad-Ziel des Weltklimarates bei der Erderwärmung nicht erreichen. Habeck argumentiert nun: Wenn es gelingen könnte, politisch machbare Veränderungen zum Klimaschutz schnell anzustoßen, dann könnte daraus auch eine neue gesellschaftliche Dynamik entstehen, die sich selbst verstärkend:

„Das ist möglich, aber nicht linear berechenbar.“

Das ist kein neuer Gedanke, aber ein kluger: Unsere Vorstellung von Zukunft ist geprägt von der Fortschreibung der Gegenwart. Wir unterschätzen die Kraft schneller Veränderung. Denn wir haben trotz des Corona-Crash-Kurses immer noch Schwierigkeiten, exponentiell zu denken, uns Beschleunigungen oder Bremsverstärkungen vorzustellen, die in der Natur nicht die Ausnahme, sondern die Regel darstellen. Oder ist bei Ihnen schon mal eine lineare Prognose eingetreten?

Drei Beispiele für exponentielles ESG-Wachstum

I) Das Umweltbewusstsein der Verbraucher ist zuletzt so schnell gestiegen wie nie zuvor.

II) Auch der regulative Druck wächst exponentiell.

III) Die Energiepreise haben sich im Lauf des Jahres vervielfacht.

Unser Fazit für Ihren Job:

Steigendes Umweltbewusstsein, immer mehr Regulierung, explodierende Energiepreise: Vieles spricht dafür, dass Emissionsfreiheit schon bald zum Leitmotiv der allermeisten börsennotierten Unternehmen gehört – Greenwashing der Fondsanbieter hin oder her. Auch in den Konzernen verläuft das Umdenken nicht linear, sondern exponentiell.

Im ESG-Vertrieb geht es somit nicht mehr darum, das Ziel der ökologischen Transformation zu beschwören. Das teilen inzwischen sowieso die meisten. Es geht darum zu zeigen, dass wir uns längst auf den Weg dorthin begeben haben – und dass es deshalb klug ist, sich einer Entwicklung anzuschließen, die immer mehr Fahrt aufnimmt.

Personalien

Namen, die Sie sich merken sollten

Kristina Church: Anlagestrategie und Kommunikation

Der Vermögensverwalter BNY Mellon Investment Management holt sich die ESG-Expertin Kristina Church ins Haus. Churchs neue Rolle ist facettenreich: Sie übernimmt nicht nur die Leitung für nachhaltige Anlagestrategien, sondern soll darüber hinaus Kundenpflege und Öffentlichkeitsarbeit betreiben.

Marion Paroli wechselt von Wealthcap zu Coros

Das Immo-Unternehmen Coros hat sich auf nachhaltige Nutzungskonzepte in urbanen Räumen spezialisiert. Um den eigenen Anspruch zu unterstreichen, hat Coros nun die Position Head of ESG geschaffen, die fortan von Marion Paroli besetzt wird. Die studierte Architektin beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit dem Thema Nachhaltigkeit und verantwortete zuletzt ESG bei Wealthcap. Parolis Ziele bei Coros: Den CO2-Fußabdruck des Immobilienportfolios zu minimieren.

Auf einen Blick

Was uns diese Woche noch auffiel

DWS holt sich Schützenhilfe bei den Profis

DWS holt sich Schützenhilfe bei den Profis

Die DWS hat die renommierte US-Anwaltskanzlei Sullivan & Cromwell damit beauftragt, die gegen sie erhobenen Greenwashing-Vorwürfe intern zu prüfen. Die Juristen sollen künftig auch die Kommunikation mit den ermittelnden Behörden steuern. Dass der DWS viel daran liegt, ihr Image wieder aufzupolieren, merkt man auch an dem neuen Sponsoring-Vertrag mit den Los Angeles Lakers. Das NBA-Team hat eine gigantische Fangemeinde in Asien – einer der wichtigsten Wachstumsmärkte für die Fondstochter der Deutschen Bank.

ESG-Fokus öffnet neue Türen

ESG-Fokus öffnet neue Türen

Ein lesenswerter Gastkommentar von Avaloq-CEO Karl im Brahm: Noch immer spricht nur eine Minderheit der Berater in herkömmlichen Portfolioevaluationen über ESG. Zumeist beschränken sie sich auf Allokation, Performance und Risiko. Dabei kann es sich ganz klar lohnen, wenn Sie als Berater Nachhaltigkeitsthemen stärker in den Fokus nehmen – in Form von neuen Transaktionen. Haben Sie erst einmal mit Ihrem Kunden zusammen dessen ESG-Ziele definiert, können Sie einen Portfolio-Gesundheitscheck durchführen und die bestehenden Positionen an den definierten ESG-Zielen messen. Das öffnet die Tür für Anlagevorschläge.

Triodos Bank startet "Impact-Robo"

Die Triodos Bank will den Markt für Robo-Advisors aufmischen und hat dazu ihren Robo "Triodos Impact Portfolio" gestartet. Alle eingesetzten Fonds erfüllen Artikel 9 der EU-Transparenzverordnung. Das Portfolio umfasst zudem einen Mikrofinanz-Fonds, der ärmeren Bevölkerungsschichten in Dritt- und Schwellenländern den Zugang zum Finanzmarkt ermöglichen möchte. Die Auswahl trifft dabei nicht eine KI, sondern Menschen aus Fleisch und Blut. Anleger erhalten über eine App ein umfassendes Reporting, wie sich ihre Investments positiv auf Umwelt und Soziales auswirken.

Ein letzter Schluck

ESG und psychologisches Wohlbefinden

In der Psychologie nennt man die Annahme, mit dem eigenen Handeln etwas bewirken zu können, Selbstwirksamkeitserwartung. Die ist wichtig, gerade beim Thema Nachhaltigkeit. Denn wenn ich davon ausgehe, dass mein Handeln ohnehin belanglos ist, greife ich auch nicht zum Fair-Trade-Kaffee und wähle keinen Ökostrom-Anbieter. Selbst dann nicht, wenn mir eigentlich klar ist, dass Kaffeebauern ausgebeutet werden und die Verbrennung fossiler Brennstoffe den Klimawandel beschleunigt. Problemwissen heißt nicht Verhaltensänderung. Bin ich hingegen von meinem Impact überzeugt, handle ich entschlossen und setzte mich auch im Freundeskreis dafür ein, dass es mir andere gleichtun.

Das Gleiche gilt fürs Fondsgeschäft. Obwohl eine Mehrheit der Menschen prinzipiell an ESG-Investments interessiert wäre, macht das aktuell nur ein Bruchteil von ihnen. Das bietet Chancen für die Beratung: Stärken Sie die Selbstwirksamkeitserwartung Ihrer Kunden, indem Sie neue Handlungsmöglichkeiten und deren tatsächliche Wirksamkeit aufzeigen.

Studien belegen, dass das psychologische Wohlbefinden in Wohlstandsgesellschaften nicht mehr von noch mehr Reichtum, sondern nicht-materiellen Erfahrungen abhängt. Es ist also eine Frage der Kommunikation: Nicht noch mehr Rendite, sondern ein gutes Gefühl. Ein paar Vermögensverwalter scheinen das bereits begriffen zu haben, wie man an der zugleich ESG- und Kommunikationschefin Kristina Church sieht.

Autoren dieser Ausgabe:

Udo Trichtl + Olaf Wittrock

Udo Trichtl + Olaf Wittrock

Wir sind Redakteure in der Wirtschafts- und Finanzredaktion wortwert. Wenn Sie Hinweise haben, Kommentare loswerden wollen, oder besondere Wünsche an unser Team haben, schreiben Sie uns gern an redaktion@esg-report.de.

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