ESG report #69: Das ESG-Jahr in Schlagworten I Terminkalender für 2023 I Tannenbaum-Präferenzen
Liebe Leserinnen und Leser,
das Jahr geht auf sein Ende zu. Auf politischer und humanitärer Ebene wird 2022 in den Geschichtsbüchern wohl kaum den Vermerk "besonders erfreulich" bekommen. Der nun seit zehn Monaten währende Krieg in der Ukraine erschüttert zutiefst. Und da alles mit allem zusammenhängt, hatte der Krieg im Jahresverlauf auch enormen Einfluss auf das Thema unseres Newsletters: ESG.
Wir blicken heute zurück auf Beschlüsse, Neuerungen und Eigentore in Sachen Nachhaltigkeit.
Im letzten Schluck versorgen wir Sie mit ein paar nützlichen ESG-Fakten zum Tannenbaum. Egal ob Sie unter einer Nordmanntanne, einem Bio- oder einem „Keinachtsbaum“ feiern – mit unseren News sind Sie bestens gerüstet für den Small Talk an den Feiertagen.
Wir verabschieden uns in die Weihnachtspause und sind ab dem 12. Januar wieder für Sie da.
Frohe Festtage und einen erfolgreichen Jahresauftakt für Sie!
Ihre ESG-Redaktion
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Ihre ESG-Redaktion

Das ESG-Jahr 2022 in Schlagworten
Etikettenschwindel
Als solchen bezeichnete Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck gleich im Januar die Entscheidung, dass Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke als klimafreundlich eingestuft werden können. So lautete die Kernbotschaft eines Entwurfs der EU-Kommission zur Taxonomie. Das Europaparlament hat das umstrittene Ökosiegel für Gas und Atomkraft Anfang Juli abgesegnet. Doch da war die Welt in puncto Energie ohnehin schon eine andere.
Grüne Waffen
Nichts hat dieses Jahr so sehr geprägt wie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Auch die ESG-Welt wurde selbstverständlich durch die Folgen des Kriegs erschüttert. Etwas sonderbar erschien der Versuch der Rüstungslobby, Waffen in der sozialen Taxonomie von der EU ebenfalls als „nachhaltig“ eingstufen zu lassen. "Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass das kommen wird", sagte uns Finanz-Professor Christian Klein im Interview. Monate später wissen wir aber immer noch: herzlich wenig. Wann die EU-Sozialtaxonomie kommt, ist nämlich nach wie vor offen.
Bafin-Rückwärtsrolle
Die Bafin hat ihre eigene ESG-Richtlinie für Investmentfonds wegen des Kriegs in der Ukraine im Frühling erstmal auf Eis gelegt. "Für eine dauerhafte Regulierung ist das derzeitige Umfeld nicht ausreichend stabil", sagte Bafin-Präsident Mark Branson im Mai. Im Raum stand der Entwurf einer Richtlinie, die Anleger mithilfe eines konkreten Kriterienkatalogs vor irreführenden und schwammigen Angaben von Fondsgesellschaften schützen sollte. Größere Fortschritte? Fehlanzeige.
Präferenzabfrage
Kaum ein Begriff ist in diesem Newsletter 2022 so häufig aufgetaucht wie dieser. Kein Wunder: Am 2. August wurde es verpflichtend, dass Sie Ihre Kunden aktiv auf das Thema Nachhaltigkeit ansprechen. Was bringt's bisher? Schwer zu sagen, bislang gibt es nur eine erste Bilanz von EY aus dem Oktober, die sich auf Versicherungsvermittler bezieht. Das Ergebnis stimmt trüb: In vier von fünf Fällen fragen Vermittler keine Nachhaltigkeits-Präferenzen ab. Wer immer noch Nachhilfe braucht, kann einen Blick in unsere Ausgabe zum Thema werfen.
CSRD-Einigung
Nach monatelangen zähen Verhandlungen haben sich EU-Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament im Sommer auf die neuen Berichtspflichten für Unternehmen (CSRD) geeinigt. Unternehmen müssen künftig darüber Bericht erstatten, wie sich ihr Geschäftsmodell auf deren Nachhaltigkeit auswirkt und wie externe Nachhaltigkeitsfaktoren (etwa Klimawandel oder Menschenrechtsfragen) ihre Tätigkeiten beeinflussen. Grünes Licht gab's im November: Das Gesetzesvorhaben wurde mit Billigung durch den EU-Rat abgeschlossen. Die als Bürokratiemonster gescholtene Direktive dürfte manchem Manager die Schweißperlen auf die Stirn treiben. Zumindest lässt sie auch für die Finanzwirtschaft auf eine belastbarere Datenlage hoffen.
Herabstufungswelle
Zum Jahresende hin gab es dann noch einen ziemlich bemerkenswerten Trend: Bei vormaligen ESG-Fonds verschiedener Investmenthäuser kam es zu Umbenennungen. In den vergangenen Wochen haben zahlreiche Anbieter ihre vermeintlich dunkelgrünen Artikel 9-Fonds auf die hellgrünere Artikel 8-Variante der Offenlegungsverordnung (SFDR) heruntergestuft, wie Morningstar ermittelt hat. Offenbar geht die Angst um, dabei ertappt zu werden, dass die eigenen Produkte doch nicht lupenrein sind. Der Grund: Am 1. Januar 2023 tritt die nächste Stufe der EU-Taxonomieverordnung in Kraft. Im Zuge dessen rücken vier neue Umweltziele auf die Agenda. Die europäische Marktaufsichtsbehörde ESMA will künftig genauer hinschauen. Und auch einen strengen Blick darauf werfen, ob etwa das Kürzel "ESG" im Namen verdient ist.
Was außerdem dieses Jahr immer wieder Thema war: Die ewigen Greenwashing-Debatten, das seltsame Nachhaltigkeitsverständnis eines immer erratischer agierenden Elon Musk und Chinas Umgang mit dem Thema ESG.

Diese Termine sollten Sie sich im Kalender eintragen
- 1. Januar: Im Juni dieses Jahres hat der Bundestag das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) beschlossen – auch bekannt als Lieferkettengesetz. Am dem Neujahrstag gilt tritt es in Kraft. Mittlere und große Unternehmen müssen von nun an menschen- und umweltrechtliche Belange auch über die eigene Ländergrenze hinaus schützen.
- Ebenfalls 1. Januar: Trotz großer Kritik gelten ab Jahresbeginn Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke laut EU-Taxonomie als klimafreundlich. Wie es scheint, werden uns die ESG-Themen auch im kommenden Jahr nicht ausgehen...
- 30. November: Die 28. UN-Weltklimakonferenz startet in Dubai. Die COP 28 geht bis zum 12. Dezember und findet damit etwas später als in diesem Jahr statt.

UN-Weltnaturkonferenz: Überraschend positives Ergebnis
Vom 7. bis zum 19. Dezember hat die 15. UN-Weltnaturkonferenz im kanadischen Montreal stattgefunden. Die Abschlusserklärung enthält unerwartet Positives: Schon lange ist belegt, dass in Regionen, in denen Indigene beheimatet sind und ihre Rechte geschützt werden, die Biodiversität besonders hoch ist. Sprich: Dort ist die Natur in einem exzellenten Zustand. So einigten sich rund 200 Teilnehmerstaaten auf eine Erklärung, die alle Forderungen der indigenen Verhandlungsteilnehmenden enthält. Indigene machen zwar nur ca. 5 Prozent der Weltbevölkerung aus, bewohnen aber artenreiche Gegenden. Auch deshalb ist es so wichtig, dass ihre Stimmen nun gehört werden.

Klimaschutz und Weihnachtsbeleuchtung
Schöne Dekorationen und Beleuchtungen verleihen der ansonsten tristen Winterzeit eine heimelige Weihnachtsatmosphäre. Und wegen energiesparender Leuchtmittel ist das doch bestimmt unproblematisch? Leider nicht: Laut der Deutschen Umwelthilfe verursacht hierzulande allein die private Festtagsbeleuchtung pro Jahr einen Stromverbrauch, der in etwa so hoch liegt wie der gesamte jährliche Energieverbrauch einer mittleren Großstadt mit 400.000 Einwohnern.

Nachhaltige Urlaubsziele für 2023
Die UN World Tourims Organization hat 32 Ziele aus 18 Ländern zu den besten Ferienorten weltweit gekürt. Die Bewertungsgrundlage: Die Ortschaften verstehen den Tourismus als einen Antrieb für nachhaltige Entwicklung. So entstehen Arbeitsplätze und günstige Bedingungen für Innovationen sowie eine nachhaltige Entwicklung der Orte gemäß der UN-Nachhaltigkeitsziele 2030. Mit dabei sind auch Orte in Österreich, Italien und Portugal – da kann man bei der Anreise auch noch auf den Flug verzichten.

Präferenzabfrage in Sachen Tannenbaum
Ob mit oder ohne Wurzeln, Bio oder normal, aus Plastik oder als „Keinachtsbaum“: Die Möglichkeiten rund um den grünen, sprich, den nachhaltigen Tannenbaum, sind vielfältig. Moment mal, steht da „Keinachtsbaum“? Exakt, denn das ist der Name für ein Holzgerüst, in das man in der besinnlichen Zeit Äste stecken kann und so jedes Jahr einen Baum rettet. (Eine Abbildung eines frühen Keinachtsbaums finden Sie in dem Kinderbuch „Petterson & Findus: Petterson kriegt Weihnachtsbesuch“).
So viel vorweg: Es beim Thema Tannenbaum richtig zu machen, ist gar nicht so schwer. Wer einige Grundregeln beachtet, kann mit gutem Gewissen unter dem Weihnachtsbaum sitzen. So sind Tannenplantagen zwar nicht so klimafreundlich wie Wälder. Wüchse auf derselben Fläche allerdings Weizen, wäre das weniger klimafreundlich. Ein Pluspunkt für die gemeine Weihnachtstanne!
Egal ob Keinachtsbaum oder Nordmanntanne: Verzichten Sie auf importierte Bäume und Zweige. Denn deren CO2- Fußabdruck durch den Transport macht auch die besten Absichten zunichte. Am besten sind Bäume aus der Region mit Bio-Siegel. Allerdings schätzen Expertinnen, dass nur 0,7 Prozent der aktuell in Deutschland verkauften Tannenbäume ein Bio-Siegel tragen. Wer keine Öko-Tanne findet, muss aber nicht direkt auf das Nadelgrün verzichten. Auch konventionelle Bäume ohne Bio-Siegen sind in Ordnung, wenn die Baumschule so weit wie möglich auf Pestizide verzichtet. Fragen Sie also am besten beim Landwirt oder Händler in der Nähe nach den Anbaubedingungen.
Baum im Topf kaufen und nach Weihnachten wieder einpflanzen: Schöne Idee, funktioniert aber leider oft nicht gut. Die Bäume verkraften den Temperaturunterschied zwischen Wohnzimmer und Wald nicht gut, denn sie befinden sich im Dezember in einer Art Winterschlaf. Wird der unterbrochen, verlieren sie ihren Frostschutz und gehen nach Weihnachten draußen ein. Eine Überlebenschance hat der Baum im Topf, wenn Sie ihn aus der eigenen Pflanzung einer regionalen Baumschule, Gärtnerei oder Försterei mieten und später dorthin zurückzubringen.
Und Plastikbäume? Die sehen nicht nur klima- und umweltschädlich aus, sondern sind es in der Regel auch. Die künstlichen Gebilde haben oft lange Transportwege hinter sich und somit schon beim Kauf eine schlechte CO2-Bilanz. Manche Bestandteile des Plastiks sind zudem biologisch nicht abbaubar. Wenn der Plastikbaum allerdings mindestens 16 Jahre bleiben darf, hat sich seine Ökobilanz auf die eines (!) Tannenbaums reduziert.
Diese Ausgabe stammt von:

Anne Hünninghaus + Christina Keppel
Wir sind Redakteurinnen der Wirtschafts- und Finanzredaktion wortwert. Wenn Sie Hinweise haben, Kommentare loswerden wollen, oder besondere Wünsche an unser Team haben, schreiben Sie uns gern an redaktion@esg-report.de.