ESG report #52: Auf Pflicht folgt Kür I Grüner Buchstabensalat

Liebe Leserinnen und Leser,

auf dem Papier ist die grüne Finanzberatung vielerorts bereits zur Pflicht geworden – Stichwort: Nachhaltigkeitspräferenzabfrage. Doch wie sieht es eigentlich ansonsten im beruflichen Umfeld von Finanzberatern und Maklern aus? Wird die grüne Philosophie auch im Büro gelebt? Und wie lässt sich eine nachhaltige Denke dort effektiv und nachhaltig umsetzen? Antworten auf diese Fragen und mögliche Inspirationen finden Sie im Hauptstück des heutigen Newsletters.

Außerdem erzählen wir in der heutigen Ausgabe, wie Texas (mal wieder!) den Fortschritt behindert und im letzten Schluck dreht sich diesmal alles um die Frage, ob das Akronym ESG noch sinnvoll ist.

Wir wünschen Ihnen eine gute Lektüre!

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Ihre ESG-Redaktion

Thema der Woche

Nach der Pflicht kommt die Kür: Nachhaltigkeit im Büro

Der erste Monat ist geschafft: Seit Anfang August sind die meisten Finanzdienstleister zur Präferenzabfrage verpflichtet. Wer die Vorschriften erfüllt, kann nun konsequenterweise zur Kür übergehen. Doch wie sieht es aus mit der grünen Einstellung auf freiwilliger Basis – etwa in Ihrem Makler-Büroalltag? Schließlich fängt Umweltschutz und ökologisches Bewusstsein bei einem selbst an und auch mit kleinen Veränderungen lässt sich viel bewirken. Dass es nicht unbedingt eine gute Idee ist, Kette-rauchend mit dem SUV zum Kundentermin zu fahren, um dann über nachhaltige Anlagen zu dozieren, liegt vermutlich auf der Hand.

An Ansatzpunkten sollte es nicht mangeln und ein bewusster und sparsamer Umgang mit Ressourcen ist schon mal die halbe Miete. Zur weiteren Inspiration haben wir eine Liste zusammengestellt, die ein Dutzend grüne Stellschrauben im Büro aufzeigt, an denen sich schnell drehen lässt:


  • Mobiliar: umweltfreundliche, natürliche Materialien
  • Büromaterialien: Papier, Stifte, Werbemittel und Co mit Ökosiegel
  • Technik: nachhaltige IT mit entsprechend zertifizierten Siegeln (Nordic Ecolabel, TCO, Energie Star)
  • Online-Präsenz: Videoberatung statt Kundenbesuch (oder Besuch falls möglich mit ÖPNV/Fahrrad bzw. zumindest via E-Auto)
  • Energie: Ökostrom, Beleuchtung (LED)
  • Kulinarische Versorgung: regional, saisonal, Bio
  • Klimaneutraler Versand: Post, Pakete (Go-Green, DHL)
  • Müll trennen: Plastik, Papier, Altglas, Bio
  • Plastik vermeiden: bei Verpackungen & Co. (Lebensmittel, Sanitärartikel…)
  • Pflanzen: ins Büro holen – verbessern das Raumklima
  • Ressourcen schonen: kaltes Wasser, weniger Heizen
  • Finanzgeschäfte: Zusammenarbeit mit nachhaltigen Banken


Eigene Arbeitsweise hinterfragen

Ein weiterer Punkt, der sich möglicherweise ökologisch optimieren lässt, ist die eigene Arbeitsweise. Lässt sich der Papierverbrauch vielleicht reduzieren? Sind Farbausdrucke wirklich nötig? Braucht man warmes Wasser zum Händewaschen und muss der Hahn dabei voll aufgedreht sein? Energie lässt sich sparen, indem man im Sommer nicht eine laufende Klimaanlage und offene Fenster kombiniert und im Winter darauf verzichet, die Heizung maximal aufdrehen.

In der Theorie sind diese Punkte bekannt, doch in der Praxis werden sie meist nur in bescheidenem Maße umgesetzt, da der Mensch nun mal ein Gewohnheitstier mit Hang zur Bequemlichkeit ist. Erst stete Übung macht sie zur Selbstverständlichkeit und im besten Fall zu einer persönlichen Einstellung, die man verinnerlicht.

Büro-Nachhaltigkeit für Fortgeschrittene

Machen Sie alles schon? Dann geht es auf ins nächste Level: Wer das Thema Nachhaltigkeit im Büro-Alltag noch intensiver umsetzen will, kann beispielsweise Kompost sammeln, der später der Umwelt zugutekommt. Die fortgeschrittene Variante wäre hier eine Wurmkiste, in der die Tiere den Biomüll direkt umweltfreundlich aufbereiten (die Kollegen besser vorwarnen...). Noch fortschrittlicher wäre eine eigene Solaranlage auf dem Dach, um grünen Strom selbst zu produzieren. Auch externe Expertise durch einen Energieberater kann helfen, das eigene Büro ökologisch sinnvoller zu betreiben, da dieser Energiefresser gezielt identifizieren kann. Gut zu wissen: eine derartige Beratung wird vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) sogar mit maximal 80 Prozent bezuschusst.

Deutlich einfacher umsetzbar: ein dekoratives Moosbild an der Wand, das sich auch im Team erstellen lässt – dann wird nicht nur das "E", sondern auch das "S" berücksichtigt.

Grüne Outdoor-Denke

Diese Liste der ‚nachhaltigen Herangehensweise im Büro lässt sich im Outdoor-Bereich fortsetzen. Stichwort: Fortbewegung. Sofern es die Gegebenheiten vor Ort erlauben, sind hier öffentliche Verkehrsmittel oder vielleicht sogar das Fahrrad eine ökologisch sinnvolle Alternative zum Auto. Ein weiterer Mehrwert: Sie tun etwas für Ihre Fitness und das körperliche Wohlbefinden und verringern Ihren CO2-Fußabdruck. Auch Fahrgemeinschaften sind eine umweltfreundliche Option.

Fazit: Eine grüne Denke im Büro und darüber hinaus lohnt sich in vielfacher Hinsicht. Zum einen kommt sie der Umwelt zugute und damit auch Ihnen selbst. Jegliche Einsparungen bei der Wertschöpfungs- und Lieferkette trägt Früchte. Zum anderen lässt sich das Thema beim Kunden auch gezielt als Mehrwert ausbauen. Denn ein Finanzdienstleister, der das Thema von sich aus bespielt, ohne, dass ihn regulatorische Auflagen dazu nötigen, suggeriert Verantwortungsbewusstsein – und zwar auch dem Kunden gegenüber.

Zahl der Woche

42 Prozent ...

... der Deutschen schätzen die Wirkung von nachhaltigen Geldanlagen als hoch ein. Und entscheiden sich auch tatsächlich für eine entsprechende Investitionen. Zumindest, wenn sie gut über ESG informiert sind. Das hat jetzt eine Studie des Versicherungs- und Vorsorgekonzerns Swiss Life Deutschland ergeben.

Gute Finanzkenntnisse und der Wunsch, Geld nachhaltig anzulegen, stehen also in einem engen Zusammenhang. Für Sie als Berater und Vermittlerinnen bedeutet das: Nachhaltigkeit ist kein Selbstläufer. Erst wenn Menschen von Fachleuten über die Möglichkeiten und Optionen informiert werden, entsteht echtes Interesse.

Auf einen Blick
Rückwärtsgewandt: Texas erschwert nachhaltige Geldanlagen

Rückwärtsgewandt: Texas erschwert nachhaltige Geldanlagen

In den USA machen republikanische Politiker Ernst: Wie unter anderem Bloomberg berichtet, stehen die Schweizer Bank UBS, der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock und acht weiteren Finanzunternehmen auf einer "schwarzen" Liste, die ihnen das Geschäft mit ESG-Investments in dem US-Bundesstaat erheblich erschweren könnte.

ESG als nächste Herausforderung für das Baugewerbe

ESG als nächste Herausforderung für das Baugewerbe

Die Nachfrage nach ESG-konformen Gebäuden steigt und steigt. Immer mehr ESG-Kriterien halten Einzug in Bauverträge. Ferner ist am Markt zu beobachten, dass Banken dazu übergehen, günstigere Finanzierungsoptionen für ESG-konforme Immobilien anzubieten.

Robeco macht ESG-Wissen öffentlich

Robeco macht ESG-Wissen öffentlich

Der Vermögensverwalter Robeco lässt künftig alles an seinem Wissen im Bereich Sustainable Investing teilhaben. Zunächst erhalten Kunden und eine Gruppe von Forschern freien Zugang zu den Unternehmens-Scores in Bezug auf die Sustainable Development Goals (SDGs), welche Robeco ermittelt hat.

Ein letzter Schluck

Da haben wir den (Buchstaben-)salat!

ARD, ZDF oder C&A? BRD, DDR oder USA? Vielleicht hat die Hip-Hop-Gruppe Die Fantastischen Vier ja ein paar alternative Vorschläge für das Akronym ESG. Leidenschaftliche Verfechterinnen und Verfechter der Nachhaltigkeit plädieren derzeit nämlich dafür, das Label ESG abzuschaffen und durch ein neues zu ersetzen.

Der Grund: Durch Greenwashing habe der Begriff „einfach keinen Wert mehr“. Das behauptet zumindest Robert Eccles, ein Professor, der die letzten zwölf Jahre an der Harvard Business School und jetzt an der Said Business School der University of Oxford über Nachhaltigkeit geforscht hat und außerdem ehemaliger Gründungsvorsitzender des Sustainability Accounting Standards Boards ist.

Eccles selbst verwendet den Begriff jedenfalls nicht mehr, wie er in einem Interview erzählt. Stattdessen spricht der Professor lieber über "wesentliche Risikofaktoren" und gibt selbst zu:

"Ich weiß, es ist ein langweiliger Begriff, aber er ist zutreffend. Wir müssen nicht sagen, ob es sich um ein E-, S- oder G-Problem handelt. Wir können sagen, dass wir über Kohlenstoffemissionen oder Arbeitspraktiken sprechen.“

Fraglich ist bloß, ob ein anderer Begriff das eigentliche Problem löst. Oder am Ende nicht sogar verschlimmert. Ist es nicht reinstes Greenwashing, einer Idee, die nicht funktioniert, einfach einen neuen Namen zu geben, ohne etwas zu verändern – und dann zu behaupten, jetzt sei alles gut?

Klar ist: Namen kommen und gehen. Doch in einem Bericht über die Vorzüge von ESG argumentieren Analysten und Analystinnen von McKinsey, dass das Akronym zwar etwas von seinem Glanz verloren haben mag, die ihm zugrundeliegende Aussage jedoch auf prinzipieller Ebene wesentlich bleibt. Bevor wir also nachhaltige Investments als ABC oder THC deklarieren, sollten wir vielleicht den zugegebenermaßen etwas schmuddelig gewordenen Begriff ESG wieder zum Glänzen bringen. MfG, Ihre ESG-Redaktion (die zu ihrem Namen steht).

Diese Ausgabe stammt von:

Marilena Piesker + Imke Reiher

Marilena Piesker + Imke Reiher

Wir sind Mitglieder der Wirtschafts- und Finanzredaktion wortwert. Wenn Sie Hinweise haben, Kommentare loswerden wollen, oder besondere Wünsche an unser Team haben, schreiben Sie uns gern an redaktion@esg-report.de.


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