ESG report #5: Mehr Nachhaltigkeit im Dax?!

Liebe Leserinnen und Leser,

die Rüstungslobby atmet auf. Ihre Befürchtung, dass ihre Mitgliedsfirmen nicht mehr im Leitindex Dax gelistet werden dürfen, hat sich nicht bewahrheitet. Ab kommendem Montag ist die wichtigste Reform seit Bestehen des Dax in Kraft und ab diesem Zeitpunkt spielt auch das Luftfahrt- und Rüstungsunternehmen Airbus in der ersten Liga, den frisch ernannten „Dax 40“. Die Deutsche Börse hat sich bewusst dagegen entschieden, Unternehmen mit kontroversen Geschäftsfeldern auszuschließen.

Für viele ESG-Investoren mag sich das nach Rückschritt statt Fortschritt anfühlen – schließlich arbeitet mittlerweile quasi die gesamte Branche zumindest mit Ausschlusskriterien. Doch es gibt auch Gründe, die gegen einen grünen Dax sprechen. Im Folgenden erfahren Sie, welche Argumente Befürworter und Gegner nennen. Und wir stellen Ihnen eine Alternative vor, mit der Sie gezielt nachhaltig in deutsche Aktien investieren können.

Viel Spaß bei der Lektüre wünscht

Ihre ESG-Redaktion

Frage der Woche

War es ein Fehler, ESG-Kriterien bei der Dax-Reform nicht stärker zu berücksichtigen?

Wenn Unternehmen in die oberste deutsche Börsenliga aufsteigen, ist das allemal ein Grund zu feiern. Schließlich ist ein Platz im Leitindex eine Ehre, die nur den wichtigsten Konzernen eines Landes zuteilwird. Es würde uns nicht überraschen, wenn bei Airbus am Montag besonders viel Sekt fließt, um den Aufstieg des Unternehmens in den deutschen Leitindex Dax zu feiern. Denn dass dem deutsch-französischen Flugzeugbauer dieses Kunststück gelingt, war alles andere als klar.

Noch im November schien die Deutsche Börse fest entschlossen, Konzerne aus den wichtigsten Indizes auszuschließen, die mehr als zehn Prozent ihres Umsatzes aus dem Verkauf umstrittener Waffen machen. Für Airbus mit seiner Rüstungssparte „Defense & Space“ hätte das nicht nur den Aufstieg in den Dax behindert, sondern unter Umständen sogar zu einem Rauswurf aus dem MDax geführt.

Nun bleiben Waffen also erlaubt. Kritiker sehen darin eine vertane Chance für den Börsenplatz. „Es bedarf eines deutlichen Zeichens, dass sich nur solche Unternehmen für den Dax qualifizieren dürfen, die ein zumindest befriedigendes Maß an Nachhaltigkeit erreichen“, schreibt zum Beispiel der Geschäftsführer des Center for Financial Studies (CFS) Volker Brühl in einer sehr lesenswerten Analyse zum Dax-Umbau. Gleichwohl gibt es auch gute Argumente für diese Entscheidung. Wir haben uns umgehört.

Meinungen

Silke Schlünsen, Head of Corporate Solutions bei der Stifel Europe Bank AG

Silke Schlünsen (c) Stifel Europe Bank AG

„Nachhaltige Investments werden zum neuen Standard der Geldanlage werden. Den Dax zum ESG-Index umzubauen, wäre aber der falsche Schritt. Der Leitindex muss nach Kriterien konstruiert sein, anhand derer sich Firmen verlässlich vergleichen lassen. Das funktioniert vor allem bei Governance-Kriterien. Zudem führt eine gute Governance oft auch dazu, dass ein Unternehmen in der Umwelt- und Sozialdimension nachhaltiger arbeitet. Deswegen ist es gut – und auch ausreichend – bei der Dax-Konstruktion neben wirtschaftlichen Kennzahlen primär auf die Governance zu schauen.“

Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts

Dr. Christiane Bortenlänger (c) Deutsches Aktieninstitut

„Als Teil der Reform von 2020 sind seit März 2021 verschiedene Corporate-Governance-Anforderungen Aufnahmekriterien für den Dax, insbesondere zur Berichterstattung und zum Prüfungsausschuss. Weitere ESG-Kriterien wurden kontrovers diskutiert, dann aber zu Recht verworfen. Ziel der Anleger, die in den Dax 40 investieren wollen, ist es, in die größten deutschen börsennotierten Unternehmen zu investieren. Wer die Priorität auf Nachhaltigkeit legt, kann sich am Dax 50 ESG orientieren, bei dem die Aufnahme explizit an die Erfüllung von ESG-Kriterien gebunden ist."

Die Deutsche Börse hat beim Dax-Umbau also sehr wohl ESG-Kriterien berücksichtigt, nur hat sie dabei den Schwerpunkt auf das G gelegt. Das ist mit Blick auf die Gründe für die Reform durchaus nachvollziehbar; Treiber war bekanntlich die krachende Pleite des Zahlungsanbieters Wirecard. Ein gleichgearteter Vorfall dürfte sich unter den neuen Regeln wohl nicht wiederholen. Womöglich hätte dem Dax ein erweiterter Fokus auf E und S aber ebenso gut getan – um dem nächsten Skandal vorzubeugen.

Fonds der Woche

Grüne Alternative für Dax-Investoren

iShares DAX ESG UCITS ETF (DE)


  • Unternehmen: BlackRock (USA), Inc.
  • Gattung: ETF
  • ISIN: DE000A0Q4R69
  • Fondsvolumen: 35 Mio. EUR
  • Nachbildung: physisch
  • Ausschüttung: thesaurierend
  • Laufende Kosten: 0,12 % p.a.


Was macht den Fonds zum ESG-Investment?

Der im Mai lancierte iShares Dax ESG Ucits ist der erste  ETF, der den DAX ESG Target Net Return Index nachbildet – eine nachhaltige Variante des Dax. Die grüne Schwester will mit den gelisteten Unternehmen gegenüber dem klassischen Dax einen um mindestens 30 Prozent niedrigeren CO2-Ausstoß aufweisen. Dafür schließt sie Unternehmen aus kritischen Branchen wie Kernenergie, Kohlekraft, Tabak oder Waffen aus. Die Stromversorger RWE und Eon bleiben damit außen vor und auch der Triebwerkbauer MTU Aero Engines ist aufgrund seines Rüstungsgeschäfts nicht im Index gelistet. Stattdessen setzt der Fonds auf den Online-Händler Zalando, den Chemie-Großhandel Brenntag und den Duftstoff-Hersteller Symrise.

Was man sonst noch wissen muss?

Da der Dax zwar größer, aber nicht grüner wird, ist der iShares Dax ESG Ucits ETF für ESG-orientierte Anleger und Anlegerinnen eine interessante Alternative. Der ETF orientiert sich an den großen Dax-Werten, ein Investment sichert somit den Zugang zu den beliebten Bluechips. Doch auch im grünen Dax sind Unternehmen wie der Chemiekonzern Bayer oder der Autobauer Daimler vertreten – wie nachhaltig so eine Aktienauswahl tatsächlich ist, muss jeder Investor selbst entscheiden.

Auf einen Blick

Was uns diese Woche noch auffiel

1.) BayWa debütiert mit grünem Milliardenkredit

1.) BayWa debütiert mit grünem Milliardenkredit

Premiere! Und zwar gleich doppelt: Zum einen hat der Agrar- und Baustoffhändler BayWa seinen ersten Konsortialkredit überhaupt abgeschlossen. Und dann haben die Münchener gleich noch eine Nachhaltigkeitskomponente mit eingebaut: Erstmalig knüpft der Mischkonzern eine syndizierte Kreditfinanzierung an das ESG-Rating der Agentur MSCI ESG Research. Die 1,7 Milliarden Euro schwere Kreditlinie läuft drei Jahre und kann zweimal um je ein Jahr verlängert werden. Damit orientiert sich die BayWa nicht bloß auf schuldnerischer Ebene langfristig, sondern weitet ihre Nachhaltigkeitsstrategie auch auf den Finanzierungsbereich aus.

2.) Europa führend in Sachen ESG

2.) Europa führend in Sachen ESG

ESG liegt europäischen Asset Managern offenbar in den Genen – zumindest, wenn es nach den Studienautoren der dritten ESG-Due-Diligence-Umfrage der Vermögensverwaltung Altis Investment Management geht. Demnach integrieren Europas Fondsmanager ESG-Kriterien deutlich öfter und erfolgreicher in ihre Anlagestrategie als ihre Kollegen aus Großbritannien oder den USA. Ein Grund für den nachhaltigen Vorsprung: Europas Finanzprofis befassen sich einfach schon länger mit Themen wie Diversität und Klimawandel.

3.) Versicherer werden grüner

3.) Versicherer werden grüner

Ob Digitalisierung oder Nachhaltigkeit, deutsche Versicherungen sind nicht gerade dafür bekannt, dem Trend voraus zu sein. Aber immerhin: Mittlerweile ist das Thema ESG auch in der Versicherungsbranche angekommen. Deutsche Versicherer richten Investitionen zunehmend an ESG-Kriterien aus, wie eine Analyse der Ratingagentur Assekurata zeigt. Mehr als die Hälfte der Gesellschaften stuft demnach die Bedeutung von ESG-Kriterien bei ihren Investmententscheidungen als hoch oder sogar sehr hoch ein. Branchenpioniere in Sachen nachhaltiger Investments sind die Lebensversicherer.

EIn letzter Schluck

Warum wir eine ESG-Streitkultur brauchen

Erst Fixler, jetzt Fancy – es scheint als schlüge die grüne Welle nachhaltiger Geldanlagen plötzlich an Klippen auf. Nur wenige Wochen nachdem die frühere Nachhaltigkeits-Chefin der DWS, Desiree Fixler, die Fondstochter der Deutschen Bank wegen mutmaßlichem Greenwashing denunziert hatte, meldete sich auch der Ex-Chef für nachhaltiges Investieren bei Blackrock zu Wort. Für Tariq Fancy ist ESG ein „gefährliches Placebo“ und ESG-Investments nicht viel mehr als ein Tropfen auf immer heißer werdendem Stein, die lediglich eine andere „unbequeme Wahrheit“ verschleiern: nämlich, dass die Politik endlich aktiv werden muss.

Die Vorwürfe wiegen schwer – zumal sie diesmal von echten Insidern stammen, die nun als Whistleblower in Erscheinung treten.

Das bedeutet aber nicht, dass das zarte Pflänzchen grüner Ambitionen in der Branche gleich platt getreten am Boden liegen muss. Was wäre  schlecht daran, wenn die Finanzwelt mal ihre rosarote ESG-Brille ablegen und sich wirklich mit dem Impact ihrer grünen Investments auseinandersetzen müsste? Wenn es einen öffentlichen Diskurs darüber gäbe, was solche ESG-Investments tatsächlich bewirken können?

Schon klar, kaum jemand mag Konflikte. Aber: Nur wo man streitet, kann man auch zu besseren Lösungen kommen. Und nur wo es eine öffentliche Diskussion gibt, müssen Whistleblower nicht mehr oder minder heimlich Geschäftsgeheimnisse verraten. Im Idealfall könnten die Causi Blackrock und DWS zu einem Weckruf für die ganze Branche werden.

_______________________________________________

Autorinnen dieser Ausgabe: Alexandra Jegers + Marilena Piesker

Autorinnen dieser Ausgabe: Alexandra Jegers + Marilena Piesker

Wir sind Redakteurinnen in der Wirtschafts- und Finanzredaktion wortwert. Wenn Sie Hinweise haben, Kommentare loswerden wollen, oder besondere Wünsche an unser Team haben, schreiben Sie uns gern an redaktion@esg-report.de.

Subscribe to ESG report

Don’t miss out on the latest issues. Sign up now to get access to the library of members-only issues.
jamie@example.com
Subscribe