ESG report #47: Grüne Schulden | ESG bei Mediolanum | Loser-Tweets

Liebe Leserinnen und Leser,

haben Sie sich schon mal Geld geliehen und sind gefragt worden, wie Sie es mit der Mülltrennung halten, oder ob Sie ein Elektroauto fahren? Die Vorstellung, sich beim Geld leihen nach seiner ESG-Konformität durchleuchten zu lassen, klingt abwegig. Doch sie könnte bald Realität werden. Denn auch Banken müssen in den kommenden Jahren ihre Kreditbücher nach Umweltsündern und Klimarisiken durchforsten – und werden sich von den größten Missetätern trennen. Der Weg dorthin ist allerdings noch lang, wie sich in unserer heutigen Analyse zum Stand in Sachen grüner Kreditvergabe zeigt.

Wir wünschen Ihnen eine gute Lektüre und nachhaltigen Erfolg beim nächsten Kreditgespräch!

Wie immer freuen wir uns über Ihr Feedback an redaktion@esg-report.de – und natürlich über Ihre Weiterempfehlung.

Ihre ESG-Redaktion

Thema der Woche

Grüne Kredite? So schwer tun sich die Banken

Kennen Sie die International Finance Corporation (IFC)? Das ist ein Finanzdienstleister der Weltbank, der Darlehen an private Unternehmen vergibt, um in Entwicklungsländern die Wirtschaft anzukurbeln – der weltgrößte Kreditgeber seiner Art. Wenn man den IFC-eigenen Berichten glaubt, tut er das mit besten Absichten und reinem Gewissen: Von der Förderung der thailändischen "Blue Economy" ist da die Rede, vom Kampf gegen das Plastik in den Weltmeeren und vom nachhaltigen Tourismus in Ecuador.

Vor wenigen Tagen aber geriet die heile IFC-Welt ins Wanken – wieder einmal, muss man sagen. Was war passiert? Das Institut hatte einen 200-Millionen-Dollar-Kredit an den brasilianischen Agrarkonzern Louis Dreyfus Company (LDC) vergeben. Das Unternehmen produziert im großen Stil Mais und Soja und frisst sich mit seinen Monokulturen immer weiter in die Cerrado, die überaus artenreiche Savanne im gesamten Südosten des Landes. Das jedenfalls kritisieren Umweltschützer. Sie werfen der Weltbank-Tochter vor, sich nicht recht um ihr Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen zu scheren und im großen Stil klimaschädliche Landwirtschaft zu finanzieren. Tatsächlich war die IFC in der Vergangenheit schon mehrfach auffällig geworden, gerade in Brasilien, wo mal in den vergangenen Jahren auch schon Fleischproduzenten Kredite angeboten hatte, die zur Abholzung des Regenwalds beitragen sollen.

Wenn selbst staatliche Entwicklungshilfe es nicht schafft, Kredite nachhaltig zu vergeben, was heißt das dann wohl für den Stand der ESG-Konformität bei der Schuldnerauswahl insgesamt? Man ahnt schon: nichts Gutes. Tatsächlich bestätigte jüngst auch die Bankenaufsicht EBA der Europäischen Zentralbank (EZB), dass es mit der Kontrolle der Klimarisiken im Schuldnerverzeichnis der Banken nicht allzu weit her ist. Im Frühjahr hatte die EZB zum "aufsichtlichen Stresstest" (das heißt wirklich so!) aufgerufen und beeindruckende Fragebögen verschickt. Darin sollten die Banken erklären, wie sie mit künftige Klimavorgaben, Hitzewellen, Dürre und Fluten umgehen wollten und wie sie den Übergang zu einer grüneren Wirtschaft in ihren Kreditbüchern abfedern wollten. Immerhin sind auch die Banken bei der Kreditvergabe gemäß EBA-Leitlinien aufgefordert, künftig verstärkt auf die Taxonomie-Vorgaben zu achten und bei der Unternehmensfinanzierung nach Nachhaltigkeitsaspekten vorzugehen. Zunächst gilt das fürs Neugeschäft, später auch bei Kreditverlängerungen und im Bestand.

Das Ergebnis des Stresstests war da doch einigermaßen ernüchternd: Zwei Drittel der 104 befragten Banken haben nach EZB-Aussagen schwach abgeschnitten, lediglich ein Fünftel berücksichtigte bereits Klimarisiken bei der Kreditvergabe. Der Großteil der europäischen Großbanken blickt nach Medienberichten noch nicht systematisch auf Klimarisiken. Gut für die Banken, dass dieser Stresstest bloß eine Übung war. Und gut für die Weltbank, dass sie mit ihren Fails nicht allein dasteht. Schlecht nur für Brasiliens bedrohte Biodiversität.

Und irgendwie beruhigend die Botschaft für Sie und Ihr Kunden: Die anderen kochen auch nur mit Wasser.

Fonds der Woche

Zwei neue Fonds bei Mediolanum International

Mediolanum International Funds Ltd., die europäische Asset-Management-Plattform der Mediolanum Banking Group, legt zwei neue Fonds mit ESG-Fokus auf: Bei dem Mediolanum Best Brands Multi-Asset ESG Selection handelt es sich um einen Artikel 8-Fonds, der Mediolanum Best Brands Energy Transition ist als Artikel 9-Fonds klassifiziert.

Der Mediolanum Best Brands Multi-Asset ESG Selection ist eine aktiv verwalteter Mischfonds mit einem diversifizierten Ansatz. Das Ziel: Erträge durch einen Nachhaltigkeitsfilter und einen auf ESG-Integration ausgerichteten Anlageprozess zu generieren. Die laufenden Kosten liegen bei 2,56% p.a.

Der Mediolanum Best Brands Energy Transition ist ein global ausgerichteter Aktienfonds. Er investiert in Unternehmen aus dem Energiesektor, die für den Wandel zu einer nachhaltigeren Wirtschaft von entscheidender Bedeutung sind und davon profitieren sollten. Die laufenden Kosten betragen aktuell 2,76% p.a..

Auf einen Blick

Was uns diese Woche noch auffiel

ESG-Datenanbieter bewerten völlig unterschiedlich

ESG-Datenanbieter bewerten völlig unterschiedlich

Große Agenturen bewerten die Nachhaltigkeit von Unternehmen sehr unterschiedlich. Dadurch sind die Bewertungen kaum vergleichbar. Das zeigt erneut eine Untersuchung des Beratungsunternehmens Cofinpro.

Was den Märkten droht, wenn der Kreml das Gas abstellt

Was den Märkten droht, wenn der Kreml das Gas abstellt

Die Prognosen von Analysten für den Fall eines russischen Gaslieferstopps könnten kaum düsterer sein. Aber was passiert wirklich, wenn Russland sämtliche Lieferungen stoppt?

Ein letzter Schluck

Keine Gewinner ohne ESG

Kolumnist Andy Kesler hat im Wall Street Journal kürzlich ein Meinungsstück veröffentlich, das seither auf Twitter insbesondere unter ESG-Kritikern eine Menge Applaus erntet. Unter dem polemischen Titel "The Many Reasons ESG is a Loser" lässt sich Kesler darüber aus, dass die nachhaltigen Produkte in vielen Fällen sehr ähnlich zum MSCI World oder S&P 500 aufgebaut sind, mit wenigen Änderungen die sich Anbieter teuer bezahlen lassen. Nur um dann eine schlechtere Performance abzuliefern.

Obwohl einige seiner Argumente durchaus valide sind – etwa das Verständnis einiger Anbieter vom Thema Nachhaltigkeit, oder die durchaus ausbaufähige Produktpalette – so zieht Kesler doch das falsche Fazit. Er sagt:

Skip ESG — it just gives someone else sustainable profits.

Nachhaltiges investieren einfach abhaken, die Klimakrise wird sich schon von alleine aufhalten, etwas ändern bringt sowieso nichts – diese Denkweise hat uns in genau das Dilemma gebracht, in dem wir uns aktuell befinden. Anstatt ESG für gescheitert zu erklären, müssen Anleger sowie Investoren mehr verlangen: mehr Transparenz, mehr Bewusstsein für Nachhaltigkeitsthemen und besser Produkte. Nur so gibt es auch in Zukunft noch eine wachsende Wirtschaft, in die es sich zu investieren lohnt. Ohne ESG gibt es keine Gewinner, ohne ESG sind am Ende alle die Verlierer.

Diese Ausgabe stammt von:

Marilena Piesker + Lilian Fiala

Marilena Piesker + Lilian Fiala

Wir sind Redakteurinnen in der Wirtschafts- und Finanzredaktion wortwert. Wenn Sie Hinweise haben, Kommentare loswerden wollen, oder besondere Wünsche an unser Team haben, schreiben Sie uns gern an redaktion@esg-report.de.

Subscribe to ESG report

Don’t miss out on the latest issues. Sign up now to get access to the library of members-only issues.
jamie@example.com
Subscribe