ESG report #45: ESG-Studie 2022 I Atomstrom und Gas erhalten Öko-Siegel

Liebe Leserinnen und Leser,

um die UN-Klimaziele zu erreichen, müssen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik an einem Strang ziehen. Wahrlich kein leichtes Unterfangen.

Die Finanzbranche schreibt sich nur zu gern Engagement auf die Fahnen: Die Geldverwalter wollen Anlegergelder in die richtige Richtung lenken. Doch nur die wenigsten lösen ihr Versprechen tatsächlich ein. Das geht zulasten des Anlegervertrauens, das nach dem EU-Nachhaltigkeitssegen für Gas und Atomstrom ohnehin erschüttert sein dürfte. Um der Verunsicherung etwas entgegenzusetzen, blicken wir heute auf die neue ESG-Integrationsstudie von Scope. Sie soll Licht ins Dunkel bringen.

Was hat Artenvielfalt mit der Kreditwürdigkeit von Staaten zu tun? Darum geht es heute in unserem Letzten Schluck.

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Thema der Woche

ESG-Studie: Das sind die „grünsten“ Fondsgesellschaften

Die Rating-Agentur Scope hat untersucht, auf welche Fondsgesellschaften noch Verlass ist. Wer übernimmt in Sachen ESG-Integration die weltweite Vorreiterrolle? Das ist in der aktuellen Gemengelage gerade für Sie, liebe Beraterinnen und Berater, eine äußerst wertvolle Erkenntnis: Die Studie liefert eine Antwort darauf, bei welchen Adressen Anlegerinnen auf der Suche nach validen ESG-Fondshäusern fündig werden.

Scope hat die großen Geldverwalter genauer unter die Lupe genommen – nicht einzelne Fonds, sondern die Häuser als Ganzes. Genau genommen 42 deutsche und internationale Fondsgesellschaften mit einem verwalteten Vermögen von insgesamt knapp 44 Billionen Euro.

Als Studiengrundlage dienten die PRI-Berichte der Vereinten Nationen. Asset Manager, die die Principles for Responsible Investments unterzeichnet haben, sind dazu verpflichtet, jährlich über ihre Aktivitäten im Bereich verantwortungsvolles Investieren zu berichten.

Fragen, die der UN-PRI-Bericht unbeantwortet lässt, ergänzten die Studienautoren kurzerhand selbst. Dabei griffen sie auf öffentlich zugängliche Informationen von Websites und Broschüren zurück. Die Fragen drehen sich rund um Investmentprozesse, wie etwa Titel ausgewählt werden, und aktives Engagement – wie genau die Gesellschaft auf Unternehmen in ihren Fonds Einfluss nimmt.

Je nach Antwort gab es Punkte – je deutlicher und umfangreicher die Nachhaltigkeitsbemühungen, desto mehr davon. Maximal erreichbar wären theoretisch 116 Punkte.

Aufgrund dieser Datenlage hat Scope eine Rangliste erstellt. Das Ergebnis: Keinem der Anbieter gelingt eine makellose ESG-Integration. Einige von ihnen befinden sich allerdings auf dem richtigen Weg. Allen voran: Federated Hermes (vormals: Federated Investors). Die US-Gesellschaft erreicht unter allen analysierten Fondshäusern als einzige ein dreistelliges Ergebnis. Dennoch liegt sie 15 Punkte unter dem Maximum. Womöglich waren die ESG-Anforderungen aber auch zu hoch angesetzt, wie die Analysten selbstkritisch bemerken.

Was können andere Fondshäuser nun vom Musterschüler lernen?

Das macht Federated Hermes richtig:


  • Die US-Gesellschaft besitzt eine sehr umfassende und verbindliche ESG-Strategie über alle Investmentteams hinweg – vom Upper Management bis hin zum einfachen Analysten.
  • ESG-Informationen und Engagement sind bei Federated Hermes obligatorische Bestandteile aller Investmententscheidungsprozesse. Einerseits fließen ESG-Aspekte standardmäßig in die Entscheidungsfindung ein, andererseits beteiligen sich Portfoliomanager an den Dialogen mit den gehaltenen Unternehmen.
  • Eigens entwickelte Investment-Tools unterstützen diese Vorgehensweise. Das bedeutet unter anderem, dass ESG-Aspekte integraler Bestandteil der Fundamentalanalyse und von Bewertungsmodellen sind.
Zahl der Woche

2 Billionen Euro

...pro Jahr wird uns die Verschmutzung der Ozeane ab dem Jahr 2100 kosten. Das schätzt ein Forscherteam rund um den amerikanischen Geologen Robert Gaines. Angefangen bei toten Korallenriffen, der Versauerung des Wassers bis hin zu riesigen Landschaften aus Plastikmüll; schon heute ist der Zustand der globalen Ozeane besorgniserregend.

Ergebnisse wie diese zeigen, wie teuer uns der rücksichtlose Umgang mit unserer Erde zu stehen kommen kann. Eine "Lösung" für das Problem liefern die Forscher allerdings immerhin gleich mit: Und zwar so genannte Blue Bonds. Die blauen Finanzierungsinstrumente sollen künftig Kapital auch in ozeanfreundliche Projekte ziehen und funktionieren letztlich ähnlich wie die bereits etablierten Green Bonds.

Und das Beste: Hinter der Idee steckt Potenzial. Die gesamte wirtschaftliche Wertschöpfung der Blue Economy schätzt die Umweltschutzorganisation WWF auf mindestens 2,5 Billionen US-Dollar jährlich.

Auf einen Blick

Was uns diese Woche noch auffiel

Grünes Label für Atom und Gas

Grünes Label für Atom und Gas

Es ist entschieden: Investitionen in Atomkraft und Gas gelten künftig als nachhaltig. Das hat das Europaparlament am gestrigen Mittwoch bekannt gegeben. Es wies den Einspruch der EU-Kommission gegen die sogenannte Taxonomie zurück. Umweltschützer und Klimaschutzorganisationen zeigen sich empört.

Einfach abhaken

Einfach abhaken

Ab dem 2. August sind Finanzberater, aber auch Vermittler von Versicherungsanlageprodukten verpflichtet, Kunden nach deren Vorlieben in Sachen Nachhaltigkeit zu befragen. Die Hamburger Kanzlei Michaelis hat jetzt eine Checkliste erstellt. Anhand derer können Berater und Beraterinnen überprüfen, ob sie Nachhaltigkeitspräferenzen in der Beratung korrekt berücksichtigt haben.

ESG ist Bullshit ...

ESG ist Bullshit ...

... meint nicht nur Elon Musk, sondern nun auch Albert Wegner. Der Partner der Risikokapitalfirma Union Square Ventures hält nichts vom grünen Image der Banken und Fondshäuser. Viele würden Menschen nur etwas vormachen, um sich zu schmücken, sagt er. Auch hier wird das Tesla-Beispiel bemüht, über das wir kürzlich hier geschrieben haben. Im Mai war der US-Elektroautohersteller aus dem S&P500-ESG-Nachhaltigkeitsindex, während der größte US-Ölkonzern Exxon Mobil weiterhin drin ist.

Ein letzter Schluck

Wie man in den Wald hineinruft …

... so schallt es heraus. Und so scheint sich mal wieder zu bewahrheiten, was der Volksmund schon lange weiß: Die Erde aus Profitgründen auszubeuten, wird die Menschheit teuer zu stehen kommen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Nehmen wir das Beispiel Insektensterben: Insekten sind wichtig für die Bestäubung der meisten Pflanzen. Trotzdem versprühen Landwirte auf ihren Feldern fröhlich Insektizide. Oder das Beispiel Fischerei: Die Bestände vieler Speisefische sind schon jetzt stark dezimiert. Trotzdem wird munter weitergefischt. Dabei ist eins klar: Wird mehr weggenommen, als nachkommt, ist irgendwann gar nichts mehr da.

Die Kosten des kurzfristigen Profits sind enorm, wie Forscher der Universität Cambridge nun nachweisen konnten. Würde auch nur eines solcher Ökosysteme zusammenbrechen – etwa ein Meer – könnte das Länder weitaus mehr kosten als etwa die Corona-Pandemie. Staaten wie China oder Malaysia wird es laut den Forschern demnach am härtesten treffen. Ihre Kreditwürdigkeit würde um mehr als sechs Punkte heruntergestuft, im schlimmsten Fall drohe sogar der Staatsbankrott. Wenn das mal keiner fieser Teufelskreis ist.

Diese Ausgabe stammt von:

Udo Trichtl + Marilena Piesker

Udo Trichtl + Marilena Piesker

Wir sind sind Teil der Wirtschafts- und Finanzredaktion wortwert. Wenn Sie Hinweise haben, Kommentare loswerden wollen, oder besondere Wünsche an unser Team haben, schreiben Sie uns gern an redaktion@esg-report.de.

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