ESG report #4: Wie viel ESG-Support brauchen Berater?
Liebe Leserinnen und Leser,
ab August 2022 müssen Anlageberaterinnen und Anlageberater ihre Kunden nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragen – so will es das EU-Gesetz. Ganz überraschend kommt das nicht, für viele allerdings schneller als erwartet. Und nun stehen Finanzberater vor einem Berg an Arbeit.
Es bleibt nur noch etwas weniger als ein Jahr Zeit, um neue WpHG-Bögen für die Kundenabfrage zu entwerfen, Abläufe anzupassen sowie Berichte vorzubereiten, die den Kunden den Einfluss ihrer Nachhaltigkeitspräferenzen auf Produktempfehlungen erklären. All das natürlich nicht nur für Neukunden – sondern früher oder später auch für Bestandskunden.
Und vor allem sind es gerade einmal elf Monate, um sich schlau zu machen. Immerhin stehen Vermögensberaterinnen nicht nur in der Pflicht, die Präferenzen abzufragen – sie müssen auch jeder von ihnen nachkommen. Für die tägliche Arbeit braucht es da Unterstützung. Hier kommen Maklerpools ins Spiel. Welche Rolle sie bei der Umstellung spielen – oder auch spielen sollten – ist das Hauptthema unseres heutigen Newsletters. Außerdem geben wir Ihnen einen schnellen Überblick darüber, was diese Woche in der ESG-Welt los war. Bleiben Sie bis zum letzten Schluck: Dort teilen wir unsere Gedanken zum neuen Nachhaltigkeitsstudiengang für Vermittler mit Ihnen.
Viel Spaß bei der Lektüre wünscht
Ihre ESG-Redaktion

Wie viel ESG-Support sollten Makler von Pools bekommen?
Maklerpools sind für viele Beraterinnen und Berater eine wichtige Anlaufstelle, wenn es darum geht, auf dem neuesten Stand zu bleiben. Für viele Freie Finanz- und Versicherungsvermittler sind sie Hauptansprechpartner, immerhin haben sie kein Team, mit dem sie sich austauschen können. Maklerpools informieren, bieten Weiterbildungen an, stellen Software und Material zu Verfügung… doch inwieweit tun sie das auch zu ESG-Themen?
Fonds Professionell hat vergangene Woche in einer Umfrage bei sieben von ihnen nachgehorcht. Das Ergebnis: Die neuen ESG-Vorschriften haben alle befragten Pools auf dem Schirm und bereiten nun Schritt für Schritt Serviceleistungen für ihre Kunden vor. Allerdings sind uns dabei auch Unterschiede aufgefallen: Dass es mehr als ein Flyer sein muss, darin sind sich alle einig. Doch während die einen das Heraussuchen von ESG-Produkten als Teil ihrer Serviceleistung sehen, finden die anderen, dass das Aufgabe der Makler selbst bleiben sollte. Wieviel Unterstützung sollten Maklerpools Ihnen bei ESG-Fragen geben, wo endet ihre Verwantwortung? Wir haben bei den Pool-Chefs nachgehakt.

Oliver Pradetto, Geschäftsführer bei Blau Direkt

„Wir sind als Maklerpool der Unterstützer und stellen unseren Kunden Distributionswerkzeuge wie Vergleichsrechner, Dokumentations- und Abrechnungssysteme bereit. Dabei ist es wichtig, Nachhaltigkeitsfilter zu integrieren, um unseren Mitgliedern die Recherche nach passenden Produkten zu erleichtern. Die Auswahl müssen sie aber schon selbst treffen. Auch das Thema Aufklären und Beraten haben wir bislang eigentlich nicht als unsere Aufgabe gesehen, denn dafür gibt es Medien und Schulungen. Allerdings haben uns inzwischen doch immer wieder Berater-Fragen zum Thema ESG erreicht, sodass wir künftig auch eigene Schulungen anbieten wollen.“
Dr. Frank Ulbricht, Vorstand der BCA AG und Vorstandsvorsitzender der BfV Bank für Vermögen AG

„Gerade unter Berücksichtigung der EU-Offenlegungsverordnung ist es für uns wichtig, dass unsere Maklerpartner ihren Kunden umfassende Beratung zu lupenreinen nachhaltigen ESG-Fonds anbieten können. Hierbei unterstützen wir mit unserer TopFonds-Liste, einer hausinternen Investment-Research-Abteilung und unserer Publikation Fonds im Fokus. Nachgefragt sind zudem unsere Weiterbildungsangebote in Sachen Nachhaltigkeit. Prinzipiell wird das Thema bei Anlegern deutlich an Bedeutung zunehmen und somit werden sich unserer Meinung nach auch Vermittler stärker mit nachhaltigen Geldanlagen beschäftigen. Als Maklerpool und Bank mit eigenem Haftungsdachangebot sehen wir in Bezug auf unseren Support Wettbewerbsvorteile für uns. Folglich werden wir Berater vielseitig unterstützen.“
Sebastian Grabmaier, Vorstandsvorsitzender Jung, DMS & Cie.

„Da wir uns als Unternehmen selbst nach den ESG-Kriterien ausrichten, ist es nur logisch, dass wir auch unsere Vertriebspartner in Sachen ESG umfassend unterstützen. Wir halten das Thema für wichtig und sehen hier auch eine gesellschaftspolitische Verantwortung als Pool. Wir empfehlen Partnern schon jetzt, das Thema ESG aktiv anzugehen und unterstützen sie unsererseits mit einem umfassenden Online-Schulungsangebot, mit Mustertexten für vorvertragliche Informationen und Leitfäden zur Umsetzung in der Praxis. Zudem veröffentlichen wir auf unserer Masterliste Investment seit Längerem die ESG-Klassifizierung der einzelnen Fonds nach der europäischen Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor.“
Die einen Pools haben ihre Software angepasst, andere sortieren ihren angeschlossenen Vermittlerinnen ESG-Produkte vor, Dritte wiederum bieten ihnen ein Rundum-Paket und sehen es sogar in ihrer Verantwortung, ihre Mitglieder zaghaft in Richtung Nachhaltigkeit zu schubsen. Unser Fazit: Berater müssen selbst entscheiden, wie viele Serviceleistungen sie sich beim Thema ESG wünschen. Bei der Auswahl des passenden Pools könnte das künftig eine wachsende Rolle spielen.

Namen, die Sie sich merken sollten
Koch wechselt von DWS zur AllianzGI
Nach 15 Jahren bei der DWS ist Gerold Koch von Bord gegangen. Er wechselte nun zur Einheit Risklab der Kapitalverwaltungsgesellschaft Allianz Global Investors (GI). Als neuer Leiter für nachhaltige Anlagelösungen soll er hier ein Team aufbauen, das Kunden zu allen Themen rund um ESG und nachhaltige Investments berät. Innerhalb der AllianzGI hat sich Risklab auf Beratungsleistungen und Lösungen für institutionelle Investoren spezialisiert.
Neue ESG-Europa-Chefin bei Neuberger Berman
Die Investmentgesellschaft Neuberger Berman hat Sarah Peasey zum Director of European ESG Investing ernannt. Vom Londoner Firmensitz aus soll sie in der neu geschaffenen Position in allen Anlageklassen ESG-Kriterien stärker integrieren. Damit hat Peasey Erfahrung – sie war zuletzt Head of Responsible Investment Strategy bei Legal and General Investment Management (LGIM).

Was uns diese Woche noch auffiel

1.) Deutsche Börse setzt auf nachhaltige Indexfamilie
Die Deutsche Börse hat eine neue Indexfamilie geschaffen. Mit dem „iStoxx World Index“ möchte man künftig auch ein Stück vom ESG-Kuchen ergattern. Für das nachhaltige Investieren in Aktien aus aller Welt setzt die Börse auf vier Messlatten für unterschiedliche ESG-Abstufungen, angefangen beim Ausschluss der üblichen Verdächtigen wie Tabak und Waffen. Initiator ist der niederländische Pensionsfonds APG, der zum Start eine Milliarde Euro in den „iStoxx APG World Responsible Low-Carbon SDI Index“ pumpt, das Management übernimmt Blackrock.

2.) Spanien ist jetzt grün
Auf den Wetterkarten war Spanien zuletzt tiefrot. Doch seit gestern erblüht das Königreich in frischem Grün. Spanien hat seinen ersten Green Bond mit einem Volumen von fünf Milliarden Euro und einer Laufzeit von 20 Jahren platziert. Die Staatsanleihe beweise, dass das Land auf dem richtigen Weg sei, wie geplant bis 2050 klimaneutral zu werden, sagt Bram Bos, Lead Portfolio Manager bei NN Investment Partners. Der Trend zu Green Bonds verstärkt sich gerade EU-weit massiv.

3.) Greenpeace Schweiz verteilt miese Noten für ESG-Beratung
Qualitätsurteil: mangelhaft – zu diesem Ergebnis kam der Schweizer Ableger der Umweltschutzorganisation Greenpeace, nachdem er die ESG-Beratung in Schweizer Banken getestet hatte. Zu selten seien Nachhaltigkeitspräferenzen abgefragt worden, zu häufig seien die Produkte lediglich grüngewaschen. Das so genannte „Mystery Shopping“ der Klimaschützer ist zwar weit entfernt von einer repräsentativen Studie. Es erregt gerade aber jede Menge Aufmerksamkeit und zeigt noch einmal, dass sich Banken wie Beraterinnen nicht auf der Werbung mit Windradromantik ausruhen sollten.

4.) Ist das Produkt grün oder tut es nur so?
Apropos: Über Grüngewaschenes wurde zuletzt viel berichtet. Daneben gibt es aber auch ein paar neue Produkte, die nur im weitesten Sinne mit ESG zu tun haben – bei näherem Hinsehen dann aber doch nichts Konkretes gegen Klimakatastrophe und Co. ausrichten. Dazu gehört unter anderem das „Carbon ETP“ des Vermögensverwalters WisdomTree. Dieses ermöglicht Investoren eine Beteiligung an der Wertentwicklung von CO2-Emissionszertifikaten. Nunja: Wer darauf hofft, dass die Zahl der Zertifikate sich dank einer grüner werdenden Wirtschaft künftig verringert, hat noch keinen Baum gepflanzt – sich aber zumindest mental bemüht.

Grüne Spezialisten entern den Arbeitsmarkt
Manchmal ist es so einfach im Leben. Wer Zahnärztin werden will, der sollte Zahnmedizin studieren. Und wer eine Karriere im Vertrieb von ESG-Versicherungsprodukten anstrebt? Der oder diejenige kann sich am Berufsbildungswerk Berlin-Brandenburg für den Studiengang "Insurance Management mit dem Schwerpunkt Vertrieb und Nachhaltigkeit" einschreiben, der diese Woche gestartet ist. Neben (hoffentlich regelmäßig aufgefrischten!) Seminaren zum Rechtsrahmen kann man hier in acht Semestern Module unter anderem zu „Sustainable Brand Positioning and Finance“ belegen.
„Schnickschnack!“, denkt jetzt wahrscheinlich manch erfahrener Berufsvertreter und schüttelt den Kopf über die fortschreitende Spezialisierung. Doch ein kurzer Blick in gängige Jobbörsen verrät: Berater mit explizitem ESG-Knowhow im Finanz- und Versicherungswesen sind gefragt. Sie sollen ihren künftigen Arbeitgebern zum Beispiel dabei helfen „unsere Assets und Klimaschutzfahrpläne fit für die Zukunft zu machen“, wie es in einer der vielen aktuellen Stellenausschreibungen so schön heißt.
Das bedeutet nun aber nicht, dass sich Berufsvertreterinnen ohne Bachelor in Grün ob der spezialisierten Konkurrenz vorm Abgehängtwerden fürchten müssen. Denn mehr ESG-Expertise lässt sich auch in Weiterbildungen gewinnen. Hinzu kommt der Umstand, dass sich Gesetze und Produkte sowieso ständig weiterentwickeln, und man auch mit Abschluss in der Tasche niemals ausgelernt hat.
Auch wenn wir Ihnen nach der Lektüre dieses Newsletters kein Zertifikat ausstellen: Eine kostenlose Mini-Weiterbildung bieten wir Ihnen weiterhin jede Woche hier. Wir freuen uns auf Sie – empfehlen Sie uns gern weiter!
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Autorinnen dieser Ausgabe: Anne Hünninghaus + Mariam Misakian
Wir sind Redakteurinnen in der Wirtschafts- und Finanzredaktion wortwert. Wenn Sie Hinweise haben, Kommentare loswerden wollen, oder besondere Wünsche an unser Team haben, schreiben Sie uns gern an redaktion@esg-report.de.