ESG report #37: Was bedeutet die Bafin-Rückwärtsrolle für Sie? I Kürzel-Glossar für Klima-ETFs
Liebe Leserinnen und Leser,
die Bafin hat ihre eigene ESG-Richtlinie für Investmentfonds wegen des Kriegs in der Ukraine vorerst auf Eis gelegt. Für die Finanzbranche bedeutet dieser Schritt einen Rückschlag: Verbindliche Vorgaben wären wichtiger als je zuvor, denn ab August sind Finanzberater laut EU-Verordnung dazu verpflichtet, ihre Kunden gezielt nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen zu fragen und diese umzusetzen. Ein konkret definierter Kriterienkatalog wäre insofern hilfreich gewesen. Keine Frage: Die energiepolitische Situation ist aktuell sehr speziell. Aber eine Verbindlichkeit gegenüber der Umwelt und sozialen Aspekten sollte parallel nicht aufgeweicht werden. In dieser Ausgabe geht es darum, was es für Beraterinnen nun zu tun gilt.
Zudem geben wir einen Überblick über die zwei wichtigsten Kürzel bei Klima-ETFs. Und im Letzten Schluck stellen wir Klimaschutz mal auf spielerische Art vor.
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Was der Bafin-Beschluss für die Beratungsbranche bedeutet
Knapp neun Monate ist es her, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) einen Richtlinien-Entwurf veröffentlicht hat, demzufolge nachhaltige Fonds in Zukunft schärfer reguliert werden sollen. Das erklärte Ziel: Greenwashing einen Riegel vorschieben. Die Vorgabe: eine Mindestinvestitionsquote von 75 Prozent in nachhaltige Vermögensgegenstände. Auf der diesjährigen Jahrespressekonferenz hat Bafin-Chef Mark Branson besagte Richtlinie jetzt erstmal einkassiert – zumindest, was ihre Verbindlichkeit angeht:
„Vor dem Hintergrund der dynamischen regulatorischen, energie- und geopolitischen Lage, haben wir beschlossen, unsere geplante Richtlinie für nachhaltige Investmentfonds zurückzustellen. Für eine dauerhafte Regulierung ist das derzeitige Umfeld nicht ausreichend stabil“,
... hieß es offiziell zur Begründung. Heißt de facto: Das Label Nachhaltigkeit kann vorerst weiter ohne konkrete Auflagen verwendet werden. Statt strengerer Prüfung steht dafür nun eine mögliche, laxere Auslegung auf der Agenda – oder salopp gesagt: potenzielles Green-Bashing.
Aus Sicht von Finanzberatern ist diese Rückwärtsrolle wenig begrüßenswert und mit zusätzlichem Aufwand verbunden. Denn ab August müssen sie ihre Kundschaft rechtsverbindlich zu ESG-Kriterien beraten und diese berücksichtigen. Da eine konkret verpflichtende Benchmark fehlt, müssen sie ergo jetzt selbst aktiv werden, um bei der so genannten Nachhaltigkeitspräferenzabfrage auf der sicheren Seite zu sein und die passenden Produkte für ihre Kunden herausfiltern. Das kostet nicht nur Zeit, sondern auch Nerven, denn der Kriterienkatalog für ökologisch nachhaltige Produkte, den Berater im Kundengespräch künftig hinzuziehen müssen, ist äußerst komplex und etliche Produkte bleiben auf der Strecke, sobald der Kunde nachhaltige Produkte wünscht.
Alternativen zum Stochern im Nebel
Hier den richtigen Spagat zu finden, kann schwierig sein. Ohne ein gezieltes Einarbeiten in die Materie wird es nicht gehen. Eine Möglichkeit bieten gezielte Weiterbildungen zum Thema, wie sie unter anderem die Greensurance-Stiftung zu verschiedenen Schwerpunkten online anbietet. Und auch beim Schweizer Anbieter Azek besteht ab Herbst dieses Jahres die Option, sich konkret im Bereich "ESG für Kundenberater Finanzierung" per Webinar zu schulen. Ebenfalls hilfreich kann zudem auch der Blick auf den Leitfaden für die standardisierte Nachhaltigkeitsabfrage sein, den das Deutsche Institut für Normung gerade veröffentlicht hat (den Link gibt's in unseren News unten).
Noch ist offen, wann die Bafin ihre ESG-Richtlinie für nachhaltige Investmentfonds verbindlich umsetzen wird und ob es dann zu möglichen Abstrichen kommt – etwa im Hinblick auf die geforderte Mindestinvestitionsquote in nachhaltige Vermögensgegenstände. Es wäre zumindest nicht das erste Mal, denn in der Anfangsfassung der Richtlinie hatte diese noch bei 90 Prozent gelegen, statt bei 75 Prozent.
Einige Maklerpools, zum Beispiel die BCA-Gruppe, sind beim Thema "verbindliche Nachhaltigkeit" bereits in Eigeninitiative vorgeprescht. BCA bietet den angeschlossenen Maklern künftig eine eigene ESG-konforme Beratungsstrecke an. Es bleibt abzuwarten, inwieweit dieser Ansatz Schule macht.
Das bedeutet der Bafin-Aufschub für Ihre To-Do-Liste
Was sollten Beraterinnen und Berater jetzt konkret tun? Das bleibt natürlich jedem selbst überlassen. Aber eine kleine Vorschlagsliste geben wir dabei gerne an die Hand:
- Lesen Sie sich gezielt in das Thema ein (gerne auch mit uns!)
- Handeln Sie vorausschauend – was Sie heute berücksichtigen, kann sich morgen auszahlen
- Bilden Sie sich offiziell zum ESG-Berater weiter – fachliche Expertise ist ein Mehrwert
- Fragen Sie bei Pools und Verbänden nach, wie diese das Thema angehen
- Nutzen Sie vorhandene Richtlinien als Orientierungshilfen.

Durchblick bei Klima-ETFs
ESG und SRI – diese Dreibuchstabenkürzel kennen inzwischen die meisten. Klimafreundliches Anlegen hat sich zum Trend gemausert – und sorgt für einen Ansturm auf sogenannte Klima-ETFs. Laut den Experten der französischen Fondsgesellschaft Amundi flossen im vergangenen Jahr in Europa insgesamt 8,4 Milliarden Euro in die grünen Indexfonds. Doch welche der Produkte sind tatsächlich nachhaltig? Die beiden wichtigsten Kürzel knapp erklärt:
- PAB: Das Kürzel steht für "Paris Aligned Benchmark". PAB ist eine der durch die EU festgelegten Benchmarks für die Portfoliozusammensetzung klimafreundlicher Fondsprodukte. Unternehmen, die in PAB-ETFs abgebildet werden, müssen eine 50 Prozent niedrigere CO2-Intensität nachweisen als der Durchschnitt aller Unternehmen im MSCI World. Zudem müssen sie ihre CO2-Emissionen jedes Jahr um sieben Prozent verringern. Ausgeschlossen werden Aktien von Unternehmen, die in den Bereichen Kohle, Erdöl, Erdgas sowie kohlenstoffintensiver Stromerzeugung tätig sind.
- CTB: Die "Climate Transition Benchmark" wurde ebenfalls durch die EU festgelegt. Auch hier gilt die Regel, dass Unternehmen im Fonds jedes Jahr ihren CO2-Ausstoß um sieben Prozent verringern müssen. Allerdings sind die restlichen Auflagen etwas weniger streng als bei PAB-Produkten. In CTB-ETF abgebildete Unternehmen müssen eine 30 Prozent niedrigere CO2-Intensität nachweisen als der MSCI-Durchschnitt.
Sowohl bei PAB als auch CTB werden Unternehmen aus der Tabak- und Waffenindustrie ausgeschlossen. Das gleiche gilt für Unternehmen, die gegen den UN Global Compact verstoßen, also dem Pakt zu einer sozialeren und ökologischeren Gestaltung der Globalisierung.

Bewerbungsbeginn für den 15. DNP
Unternehmen können sich jetzt um den Deutschen Nachhaltigkeitspreis (DNP) bewerben. Teilnahmeberechtigt sind alle Unternehmen, die in Deutschland Produkte oder Dienstleistungen anbieten. Der DNP gilt als Qualitätssiegel für Unternehmen. Es gibt sechs Kategorien: Unternehmen, Design, Local Heroes, Verpackung, Architektur sowie den Next Economy Award 2.0 für Start-ups. Die Auszeichnung orientiert sich an den Zielen der Agenda 2030. Die Wettbewerbe fokussieren die Felder, in denen es besonders großen Handlungsdruck gibt. Sie spiegeln die Sustainable Developments Goals der UN (SDGs) und die Ziele der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung wider: Klima, Biodiversität, Ressourcen, Lieferkette und Gesellschaft.
Bewerbungen erfolgen über einen Fragebogen auf der Website des DNP.

Was uns diese Woche noch auffiel

DIN legt Leitfaden zur ESG-Beratung vor
Wir hatten hier im Newsletter neulich darüber berichtet, nun hat das Deutsche Institut für Normung (DIN) seinen Entwurf für ein Modul zur "Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen" veröffentlicht. Der Leitfaden für die standardisierte Nachhaltigkeitsabfrage soll der Beraterzunft das Leben ein bisschen leichter machen.
Neue Studie: Wie nachhaltig sind "grüne" Geldanlagen?
Die Kritikpunkte sind altbekannt: Zu wenig Transparenz, eine zu dünne Datenlage. Die Organisation Finanzwende hat erneut eine Studie zum Thema Greenwashing vorgelegt. Deren Recherche zeigt, dass weiterhin häufig Produkte als nachhaltig angepriesen werden, die es gar nicht sind. Die Forderung: einheitliche Regeln, nach denen Ratingagenturen ihre Urteile ausrichten können.

Zeitweise Überschreitung von 1,5 Grad Erderwärmung bis 2026 möglich
Und wieder gibt es deprimierende Neuigkeiten zur sich zuspitzenden Klimakatastrophe: Die UN sehen ein 50-prozentiges Risiko, dass sich die Erde temporär in den kommenden Jahren um 1,5 Grad erwärmt. Fast sicher sei ein Hitzerekordjahr in den kommenden fünf Jahren. Ein Grund mehr, auch bei der eigenen Geldanlage umzusteuern.

Digitaler Umweltschutz für reale Welten
Wie kann ein Spiel in der digitalen Parallelwelt Metaversum für eine nachhaltigere Zukunft sorgen? Ein Projekt zum Tag der Erde am jüngst vergangenen 22. April könnte ein Beispiel für künftige Aktionen sein: Die drittgrößte digitale Parallelwelt Next Earth hat gemeinsam mit der Organisation SEE Turtles ein Spiel für den guten Zweck entwickelt. In der digitalen Alternative zur physischen Welt können Spielerinnen Land kaufen und so zur Säuberung der Umwelt beitragen. Im Verlauf des Spiels nehmen sie an einer Schatzsuche teil, um Preise zu finden, die unter Müll versteckt sind. Die Spieler selbst haben die Chance, digitale Währung im Wert von 200.000 US-Dollar zu erhalten. Außerdem wurden fünf NFTs verlost. Ein Teil der Erlöse aus dem Spiel fließt in Umweltprojekte in der realen Welt.
Während manche solche "Spielereien" belächeln mögen, sollten sie das Potenzial von Gamification einerseits und der digitalen Welt zum anderen nicht unterschätzen: Digitale Währungen wie Kryptos und Token gewinnen an Beliebtheit – selbst wenn die meisten Anleger noch vorsichtig sind, wird durch den Vorstoß vieler Unternehmen in das Metaversum, zumindest ihr Interesse geweckt. Gerade wenn es um Spendenaktionen geht, hat sich längst die Macht von Social Media Plattformen wie Facebook, Instagram und Co. bewiesen. Warum sollte Nachhaltigkeit also nicht auch langfristig im digitalen Universum stattfinden? Eins ist sicher: Berater, Unternehmen und Anlegerinnen sollten die Entwicklungen im Metaverse genauestens im Auge behalten.
Diese Ausgabe stammt von:

Lilian Fiala und Imke Reiher
Wir sind Redakteurinnen in der Wirtschafts- und Finanzredaktion wortwert. Wenn Sie Hinweise haben, Kommentare loswerden wollen, oder besondere Wünsche an unser Team haben, schreiben Sie uns gern an redaktion@esg-report.de.