ESG report #36: Nachhaltige Zielmarkt-Daten | Chinas Klima | Gen Z

Liebe Leserinnen und Leser,

haben Sie schon von EET gehört? Das Kürzel steht für ein neues Template, eine Tabelle, die Fondsanbieter dieser Tagen mit großer Energie mit Daten zur Nachhaltigkeit füttern. Darin steht dann, welche Ziele ein Fonds genau verfolgt, auf welche Siegel er sich beruft und welchen Pflichten er folgt, welche Emissionen entstehen, welche Branchen welchen Anteil im Portfolio ausmachen, ob Arbeitnehmerrechte beachtet werden, Abfallkonzepte stehen und wie es um den Öl- und Gasverbrauch bestellt ist.

Mitte des Jahres geht es los. Anfang 2023 sollen die Daten dann möglichst komplett vorliegen – und im Vertrieb dafür sorgen, dass Sie Kundinnen per Knopfdruck das Produkt rausfiltern können, das am besten zu deren Präferenzen passt.

Wie das funktionierten soll, erklären wie Ihnen heute.

Außerdem blicken wir nach China, den größten Windkraftanlagenbetreiber der Welt. Und wir schauen auf die Probleme junger Menschen. Stichwort: Beratungsbedarf.

Viel Spaß bei der Lektüre und erkenntnisreiche Minuten wünscht Ihnen

Ihre ESG-Report-Redaktion

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Thema der Woche

Ein B ist keine 8. Und bald kommt EET.

Erinnern Sie sich noch? Vor einigen Wochen haben wir hier im ESG report #23 über einen neuen Leitfaden des Deutschen Instituts für Normung (DIN) informiert, der Ihnen helfen soll herauszufinden, was Ihre Kunden in Sachen Nachhaltigkeit antreibt, was sie wollen, was sie bewegt. Denn das hat Sie spätestens ab dem 2. August zu interessieren. Dann zündet die nächste Stufe der vielen Regulierungsinitiativen der EU – und die sogenannte Präferenzabfrage wird bei Ihren Kunden von der Kür zur Pflicht. In wenigen Wochen müssen Sie also neben der Geeignetheitsprüfung auch noch die Nachhaltigkeitspräferenzen abfragen und klären, wie sehr sich Ihre Kunden für ökologische, soziale und Governance-Kriterien interessieren. Wohlgemerkt nicht nur bei neuen Kunden, sondern bei allen Kunden.

Wenn Sie das jetzt sehr erschreckt, seien Sie versichert: Die wahre Herausforderung liegt nicht in der Abfrage – dafür gibt es ja die DIN, diverse Leitfäden (etwa hier beim Forum Nachhaltige Geldanlage) und viele weitere Brancheninitiativen. Da wird Sie in den kommenden Wochen schon ein passender Fragebogen erreichen. Nein, die wichtigste Frage lautet, was nun eigentlich darauf folgt, wenn eine Kundin oder ein Kunde nun bestimmte Nachhaltigkeitspräferenzen äußert: Welche Voraussetzungen müssen Finanzprodukt erfüllen, damit sie zu den Präferenzen passen?

Darüber streiten die Gelehrten. Die EU setzt seit Frühjahr 2021 auf die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), zu Deutsch Offenlegungsverordnung (OffVO). Danach sollen Anbieter ihre Produkte transparent klassifizieren. Sie kennen das, es geht um die Einteilung nach Artikel 6 (konventionell), 8 (ESG) oder 9 (Impact). Die großen deutschen Finanzverbände haben Anfang des vergangenen Jahres ein eigenes Zielmarktkonzept entwickelt. Die Typologie orientiert sich zwar an der SFDR, geht anderseits aber darüber hinaus (warum, das erklärt das BVI hier.). Produkte werden danach nämlich nicht in drei, sondern in vier relevante Nachhaltigkeitsstufen geordnet: O steht für Non-ESG, B für Basic, E für ESG und I für Impact-ESG.

Jedenfalls können die Hersteller innerhalb des Zielmarktes auch noch einen Schwerpunkt (E, S oder G) angeben – ist alles freiwillig, was es nicht einfacher macht, da durchzusteigen. Chaos ist dort vorprogrammiert, sollten Fonds etwa als nachhaltig im Sinne des Artikels 8 gelten, aber im Zielmarktkonzept der Finanzverbände nur ein B erreichen, weil dort gültige Kriterien gerissen werden. Eine 8 ist eben kein B. Von den diversen ESG-Ratingnoten, die wieder anders zustande kommen, schweigen wir hier lieber.

In einigen Wochen wird die Sache jetzt interessant: Denn ab 2. August treten veränderte Regeln aus der Nachhaltigkeits-Vermittlerrichtlinie N-IDD (Insurance Distribution Directive) und aus Finanzmarktrichtlinie MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive II) in Kraft. Wenn Ihnen jetzt der Kopf schwirrt: Auch dabei geht es letztlich um dieselbe Sache. Nämlich darum, dass Vermittler bei den Anlegerinnen zu erfragen haben, was die in Sachen Nachhaltigkeit wollen ("Nachhaltigkeitspräferenzabfrage") – und welche Anlagen dafür geeignet sind ("Produktüberwachungspflichten"). die Anlageberater sollten dann am besten per Software und ohne großen Aufwand die Fonds aus dem Angebot filtern können, die der Präferenz entsprechen.

Hier tut sich nun gerade eine ganze Menge – und das ist die gute Botschaft für alle, die diesem kleinen Verordnungsreferat bis hierher folgen. Das Geschenk fürs durchhalten heißt: European ESG Template oder kurz EET. Was ist das nun wieder? Es ist ein europaweit vereinheitlichter Standard zur Abfrage von Nachhaltigkeitskriterien, eine Art Excelliste mit fest formatierten Feldern, in die die Anbieter künftig jede Menge Infos zum Produkt eintragen. Die Produzenten müssen das neue EET-Template in diesen Tagen zunächst nur teilweise befüllen, und dann schrittweise während der kommenden Monate immer mehr Daten liefern, am Ende sind es 580 Datenfelder. Und über diesen neuen Datensatz lassen sich dann, so das Versprechen der Bafin und der Verbände, die Produkte automatisch einem Zielmarkt – und einer Nachhaltigkeitspräferenz – zuordnen. Wird vermutlich bis Anfang kommenden Jahres dauern, bis alles drinsteht. Aber EET sollten Sie sich jetzt schon mal merken. Denn genau darauf kommt es in Bälde an.

Grafik der Woche

KPC und ESG: Geht das zusammen?

Das wachstumsstarke und dynamische Reich der Mitte ist nicht nur attraktiv für Renditejäger. China hat im vergangenen Jahr erstmals die USA in Sachen ESG überholt. Das Volumen der im Land beheimateten Klimafonds erreichte 2021 ein Rekordhoch von 46,7 Milliarden US-Dollar, zeigt eine Morningstar-Analyse. Das entspricht einem Anstieg von beinahe 150 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Die Volksrepublik rangiert nun – wenn auch weit abgeschlagen – immerhin auf Platz zwei, gleich hinter der EU. Chinas Beitrag zum Klimaschutz erscheint tatsächlich nicht unerheblich: Den kurzfristigen Plan, einen Anteil von 25 Prozent an nicht-fossilen Brennstoffen bis 2030 zu erreichen, wird China vermutlich sogar eher umsetzen. Die Leistung chinesischer Wind- und Solaranlagen lag 2021 bei 635 Gigawatt beziehungsweise rund 27 Prozent der Gesamtkapazität. Bis 2030 will Peking 1.200 Gigawatt erreichen.

Bevor wir jetzt aber damit beginnen, Peking in den vom Smog vergilbten Himmel zu loben, müssen wir uns auch daran erinnern: Xi Jinping hat sein Land erst kürzlich dazu verpflichtet, Putin Erdöl und Gas in Höhe von umgerechnet 100 Milliarden Euro abzunehmen.

Fonds im Fokus

Dem Wandel unter die Arme greifen

Nordea 1-Global Climate Engagement

  • Unternehmen: Nordea Asset Management
  • Gattung: Aktienfonds
  • Auflagedatum: 26.04.2022
  • ISIN: LU2463526074
  • Fondsvolumen: 5 Millionen USD
  • Gesamte laufende Kosten: 1,80 %
  • Ausgabeaufschlag: 5 %

Was macht den Fonds zum ESG-Investment?

Während sich die allermeisten ESG-Fonds mithilfe von Ausschlusskriterien auf die grünen Sternchen der Branche konzentrieren, wählt der Vermögensverwalter Nordea AM hier einen anderen Weg: Sein Engagement-Fonds sucht nach Unternehmen, deren Nachhaltigkeitsstrategien noch nicht ganz ausgereift sind.

Alexandra Christiansen, Portfoliomanagerin des Engagements-Fonds, sagt gegenüber ESG-report:

Risiko für den Übergang zur Netto-Null

Was macht den Fonds noch interessant?

Den Ansatz, gerade dort Kapital zu allokieren, wo es scheinbar alle anderen abziehen, finden wir aus mehreren Gründen bemerkenswert. Einerseits sind es eben jene Nachzügler, die immer noch für ausreichend Strom aus unseren Steckdosen sorgen. Ihnen beim dringend notwendigen Wandel unter die Arme zu greifen, anstatt sie vor den Kopf zu stoßen, ist richtig und wichtig. Andererseits begnügen sich herkömmliche ESG-Fonds einfach damit, die Welt nicht schlechter zu machen – aber ebenso auch nicht besser.

Auf einen Blick

Was uns diese Woche noch auffiel

Bafin legt ESG-Richtlinie auf Eis

Bafin legt ESG-Richtlinie auf Eis

Die deutsche Finanzaufsicht Bafin verschiebt die Einführung konkreter Regeln, wie Fonds in Bezug auf Klimawandel und soziale Gerechtigkeit eingestuft werden müssen, auf unbestimmte Zeit. Als Grund nennt die Behörde die Unwägbarkeiten wegen des Einmarschs Russlands in der Ukraine. Der historische Schwenk der Investmentbranche hin zu ESG-Fonds kollidiere demnach mit den Folgen des Krieges für die Energiesicherheit und den entsprechenden Maßnahmen von Regierungen weltweit.

Das "E" in den Bitcoins

Das "E" in den Bitcoins

Immer mehr Anleger beginnen damit, auch ihre digitalen Vermögenswerte unter ESG-Gesichtspunkten zu betrachten. Daher hat Europas größter digitaler Vermögensverwalter CoinShares nun eine Studie über den ökologischen Fußabdruck von Bitcoin veröffentlicht. Demnach lag der Gesamtverbrauch von Bitcoin im Vorjahr bei 89 Terawattstunden (TWh) mit einer Netto-Emissionsrate von 39 Mio. Tonnen CO2. CoinShares bezeichnet das als "minimal". Unabhängige Studien kommen allerdings auf 125 TWh, was mehr als dem Jahresverbrauch der Ukraine (124,5 TWh) entspricht.

Ein letzter Schluck

Nachhaltig überfordert

Trotz hohen Stellenwerts des Themas Nachhaltigkeit fühlen sich junge Konsumentinnen und Konsumenten von den schier unendlichen Möglichkeiten überfordert. Zumindest sagt das eine neue Studie des ECC Kölns, einer Tochter des Kölner Instituts für Handelsforschung.

Die Forscherinnen haben die Ambivalenzen der sogenannten Generation Z (16- bis 26-Jährige) genauer unter die Lupe genommen. Zwar werfen Große Teile der Generation Z ihren älteren Mitmenschen vor, durch nicht nachhaltiges Konsumieren die Zukunft junger Menschen zu verspielen.

Doch Verzicht üben - das fällt selbst Post-Millennials schwer. Laut der Studie glauben zwei Drittel der jungen Konsumenten, es sei möglich, nachhaltig zu leben, ohne Abstriche beim Lebensstil zu machen. Die Mehrheit unter ihnen kauft nachhaltige Lebensmittel eher situationsbedingt. Nur jede und jeder Vierte sucht und kauft gezielt nachhaltig.

Was heißt das jetzt für Sie, liebe Berater? Helfen Sie auch den jüngeren Kundinnen und Kunden, geben Sie Orientierung und filtern Sie den Info-Überfluss. Auch die Generation Z hat daran offenbar Bedarf.

Autoren dieser Ausgabe:

Udo Trichtl + Olaf Wittrock

Udo Trichtl + Olaf Wittrock

Wir sind Redakteure in der Wirtschafts- und Finanzredaktion wortwert. Wenn Sie Hinweise haben, Kommentare loswerden wollen, oder besondere Wünsche an unser Team haben, schreiben Sie uns gern an redaktion@esg-report.de.

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