ESG report #35: Wie grün ist Gold? I Nachhaltige Missverständnisse
Liebe Leserinnen und Leser,
Gold ist als Investment beliebter denn je. Inflation und Krieg lassen die Nachfrage nach dem glänzenden Edelmetall in die Höhe schnellen. Bloß in Sachen ESG kann das beliebte Krisen-Asset nicht glänzen. Für Sie als Vermittler ist oft nicht ohne Weiteres zu erkennen, ob Sie guten Gewissens Gold als Anlage empfehlen können. Anders als bei Aktien oder Anleihen gehört bei Gold-Anlagen das Einhalten von ESG-Richtlinien nämlich nicht zum Standard. Beim Abbau und der Verarbeitung des Edelmetalls kommt es zudem zu teils massiven Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen.
Sie sehen: Gold braucht dringend eine nachhaltige Politur. Wir zeigen Ihnen in der heutigen Ausgabe, welche Gold-Investments Sie ESG-bewussten Anlegerinnen ohne schlechtes Gewissen empfehlen können.
Außerdem erfahren Sie, warum es im Kundengespräch so sehr darauf ankommt, zu erklären, wie der Begriff Nachhaltigkeit jeweils definiert wird.
Eine gute Lektüre!
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Ihre ESG-Redaktion

Grün oder Gold?
In der Krise kaufen Anlegerinnen Gold. Mit der russischen Invasion in die Ukraine und der hohen Inflation hat die Nachfrage nach dem Edelmetall drastisch zugenommen. Die Preise ziehen mit: Laut World Gold Council ist der Goldpreis in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres um 6,5 Prozent gestiegen.
Das dürfte sich auch in Ihrer Arbeit bemerkbar machen: Immer mehr Privatanleger fragen in der Beratung nach dem sicheren Hafen fürs Depot, zeigt eine Erhebung des World Gold Councils.
„Ich habe viele Kunden, für die Gold wie eine Lebensversicherungspolice ist. Und da es mehr Nachfrage gibt, wird es auch steigen."
Das erzählt ein Finanzberater in der Studie. Alles schön und gut, würden wir meinen. Gäbe es an Gold-Investments nicht diesen einen gravierenden Haken: Sie sind in der Regel alles andere als nachhaltig.
Laut der deutschen Umweltorganisation „Rettet den Regenwald“ erweist sich Gold als katastrophales Produkt für Natur, Mensch und Tier. Große Goldminen liegen in Konfliktregionen in Südamerika, Afrika oder Asien. Etwa 50.000 Kinder weltweit arbeiten in diesen Minen, oft unter prekären Sicherheitsbedingungen und bei schlechter Bezahlung. Außerdem nutzen viele Minenbetreiber Schadstoffe wie Zyanid (Blausäure) oder Quecksilber, um Gold zu gewinnen. Bei einem Unfall in einer Goldmine in Rumänien vergiftete ausgetretenes Zyanid kürzlich zum Beispiel den Fluss Theiß – sämtliche Fische, Otter und Seeadler starben. Und die Fischer umliegender Dörfer verloren ihre Jobs.
Goldinvestments widersprechen damit mindestens vier der Sustainable Development Goals der UN, darunter der „menschenwürdigen Arbeit“. Das Fazit der Umweltschützer: Gold taugt nicht als Investition.
Muss ich als ESG-Investorin folglich einen weiten Bogen um das Edelmetall machen? Und dürfen Sie als Vermittler Gold als Investment gar nicht erst empfehlen, wenn Ihnen Nachhaltigkeit am Herzen liegt? Nun, ganz so aussichtslos ist die Lage zum Glück nicht. Mittlerweile gibt es einige Optionen, sich nachhaltiges Gold ins Depot zu holen. „Inzwischen können umweltbewusste Kunden zum Beispiel zwischen Schmuck und Barren aus Recycling-Gold oder sogenanntem Responsible-Gold wählen“, bestätigt Dominik Lochmann, Edelmetall- und ESG-Experte beim Investmenthaus ESG Edelmetall-Service.
Vier goldene Regeln für den Vertrieb
Woran erkennen Sie als Vermittlerinnen und Vermittler, wann Gold grün ist? Wir haben vier Tipps zusammengestellt, mit denen Sie Gold als Inflations- und Krisenschutz fürs Depot empfehlen können, ohne das Thema ESG zu vernachlässigen.
Darauf sollten Berater achten, wenn sie nachhaltige Gold-Investments empfehlen wollen:
- Empfehlen Sie nur Responsible-Gold: Damit Gold nachhaltig ist, kommt es darauf an, wo und unter welchen Bedingungen es geschürft wird. Responsible Gold lässt sich bis zu seinem Ursprung zurückverfolgen und wird im Verarbeitungsprozess nicht mit Gold aus anderen Quellen vermischt. Der weltgrößte Barrenhersteller Valcambi verkauft zum Beispiel Gold aus Abbaugebieten in der Wüste des US-Bundesstaats Nevada, sodass kein Regenwald dafür gerodet werden wird.
- Achten Sie auf Siegel: Eine andere Möglichkeit für nachhaltiges Gold ist fair gehandeltes Gold. Die Fair Trade Organisation vergibt ihr Siegel auch für Gold. Es soll garantieren, dass in den Goldminen keine Kinder arbeiten und strikte Schutzmaßnahmen für Arbeiterinnen und Umwelt gelten.
- Ziehen Sie recyceltes Gold in Betracht: Wiederverwertetes Gold schont die Reserven und ist nachhaltiger als neu abgebautes. Wie der WWF betont, hat es denselben Wert wie neues Gold, belastet aber die Umwelt weitaus weniger stark. Eine Quelle für recyceltes Gold sind Scheideanstalten: Hier werden unter anderem Altschmuck und Zahngold zerlegt und aufbereitet.
- Empfehlen Sie zertifizierte Gold-ETCs: Auch bei nicht-physischen Goldinvestments gibt es grüne Alternativen. Der Marktplatz börse.de bietet etwa mittlerweile einen nachhaltigen Gold-ETC an. Das Gold stammt von der Schweizer Prägeanstalt Valcambi, die auf "Responsible Gold" setzt.

Deutsche Anleger liegen bei ESG-Investitionen zurück
Kennen Sie die neue "Torte der Wahrheit", das humorvolle Diagramm aus der "Zeit"? Die sieht diese Woche so aus:
Die bittere Wahrheit lautet also: Wir legen Wert auf Mülltrennung und haben im vergangenen Jahr sogar eine Kanzlerkandidatin der Grünen ins Rennen geschickt, doch macht uns das noch lange nicht zu Ökovorreitern. Auch nicht am Kapitalmarkt. Das wiederum zeigt der Global Future of Financial Services Report 2022 des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Hier ein paar interessante Fakten daraus:
- Nur sechs Prozent der Deutschen haben laut eigener Angabe in den vergangenen drei Monaten in nachhaltige Anlagen investiert. Der weltweite Durchschnitt liegt bei acht Prozent.
- Der globale Altersvergleich zeigt: Jüngere Befragte im Alter von 18 bis 34 Jahren haben in diesem Zeitraum mit zwölf Prozent am häufigsten in nachhaltige Anlagen investiert. Ältere Befragten ab 55 Jahren haben dies mit drei Prozent am seltensten getan.
- Während weltweit 42 Prozent der jüngeren Generation nachhaltigen Investments vertrauen, sind es in Deutschland in dieser Altersgruppe nur 33 Prozent.
- Immerhin: Mehr als jeder vierte deutsche Verbraucher mit investierbarem Vermögen (27 Prozent) ist bereits ein sogenannter Öko-Investor, der aktiv nach profitablen nachhaltigen Investitionsmöglichkeiten sucht.
Zumindest der letzte Punkt stimmt doch ganz hoffnungsvoll, oder?
Ja,
ABER:
Sparer und Investorinnen schrecken am Ende dann doch mehrheitlich davor zurück, da sie bei nachhaltigen Finanzprodukten höhere Kosten vermuten.

Was uns diese Woche noch auffiel

US-Unternehmen fürchten den Druck der Investoren
Einige der bevorstehenden Jahreshauptversammlungen von US-Unternehmen könnten ungemütlich werden. Investoren konfrontieren McDonald's mit Fragen zum Tierschutz. Meta Platforms Inc. sieht sich mit Bedenken konfrontiert, dass sein Metaverse psychologische Schäden verursacht. Und die größten US-Banken werden für ihren Beitrag zum Klimawandel zur Rechenschaft gezogen. Dieser lesenswerte Bloomberg-Beitrag zeigt, inwieweit die Zahl der Resolutionen und damit der Einfluss der Anlegerinnen zuletzt gestiegen ist – und was da wohl noch kommt.

Deutsche Exporteure wollen sich in puncto Nachhaltigkeit nicht verändern
ESG-Kriterien im eigenen Betrieb umsetzen? Lieber nicht. Viele deutsche Exportunternehmen verlassen sich bei der Einhaltung von ESG-Kriterien bevorzugt auf ihre Lieferanten. Das ist das Ergebnis der Allianz Trade Global Survey. Knapp die Hälfte der befragten Unternehmen stellt hierzulande eher auf nachhaltigere Lieferanten um, als selbst Veränderungen in Richtung nachhaltiger Prozesse oder Produktionen anzustoßen. Nur 18 Prozent der deutschen Exporteure rechnet generell damit, dass ESG-Kriterien ihr Geschäft 2022 stärker beeinflussen als bisher.

Einfach nur nachhaltig... oder schon ESG-konform?
Studien zeigen es immer wieder: Das Interesse der Versicherten an nachhaltigen Produkten wächst. Und die Versicherungsgesellschaften tragen dem gern mit immer neuen Policen Rechnung. Aber was zeichnet solche Angebote eigentlich aus? Kommt es bei einem nachhaltigen Versicherungsprodukt darauf an, dass die investierten Beiträge nach ESG-Kriterien angelegt werden? Versorgt so eine Versicherung ihre Büros mit Ökostrom? Oder pflanzt der Anbieter ein Bäumchen, wenn der Vertrag unterschrieben ist?
Das kann alles sein. Muss aber nicht. Denn der Begriff „nachhaltig“ ist maximal vage und erlaubt auch eine deutlich großzügigere Auslegung. Das zeigt eine Umfrage von Franke & Bornberg. Das Ratinghaus wollte von Vermittlern wissen, welche Ansätze sich aus ihrer Sicht anbieten, um die Berufsunfähigkeitsversicherung nachhaltiger zu gestalten. Genannt wurden Aspekte, die einen, nun ja, recht großen Interpretationsspielraum zulassen: Für in Sachen Nachhaltigkeit glänzende Policen wünschen sie sich zum Beispiel transparente Bedingungswerke, die für Versicherte gut verständlich sind. Auch Bausteine für mehr Prävention und Flexibilität bei den Leistungen zählen zu den relevanten Faktoren.
Sicher ist es hilfreich und zukunftsweisend, transparente Versicherungsprodukte zu schaffen. Aber ist das auch nachhaltig? Das Beispiel zeigt einmal mehr, dass es im Kundengespräch sehr genau darauf ankommt, zu erklären, was diese Nachhaltigkeit eigentlich heißen soll. Sonst kann es am Ende zu Ärger und Enttäuschung kommen, wenn ein Produkt als nachhaltig verkauft wird, das eine besonders gut leserliche AVB vorweisen kann, aber Geld in die Ölindustrie anlegt.
Diese Ausgabe stammt von:

Anne Hünninghaus + Marilena Piesker
Wir sind Redakteurinnen der Wirtschafts- und Finanzredaktion wortwert. Wenn Sie Hinweise haben, Kommentare loswerden wollen, oder besondere Wünsche an unser Team haben, schreiben Sie uns gern an redaktion@esg-report.de.