ESG report #2: Das Ende des Preisnachteils bei Green Bonds?!
Liebe Leserinnen und Leser,
Anleihen mit dem Etikett Nachhaltigkeit werden immer beliebter. Ihre Emissionen schlagen an den Finanzmärkten immer höhere Wellen – seit dem Jahr 2015 ist das Angebot grüner Schuldentitel um 60 Prozent gewachsen. Schon bald dürfte das steigende Angebot Einfluss auf das Preislevel am Green-Bond-Markt nehmen.
Heute bieten viele Green Bonds für Anlegerinnen und Anleger noch einen Renditenachteil gegenüber herkömmlichen Anleihen. Aktuelle Zahlen der Climate Bonds Initiative zeigen, der Markt ist deutlich überzeichnet. Viele Investoren sind offenbar bereit, auf Rendite zu verzichten, um ihrem Depot ein wenig nachhaltigen Glanz zu verleihen.
Doch auf Dauer werden die Preisunterschiede schwinden, wenn nicht gar verschwinden. Wie schnell findet der Anleihe-Markt sein neues grünes Gleichgewicht? Wir haben uns für Sie in der Branche umgehört.
Viel Spaß bei der Lektüre wünscht
Ihre ESG-Redaktion

"Der Preisaufschlag bei Green Bonds wird verschwinden"
Immer mehr Anleger und Anlegerinnen wünschen sich Anleihen mit grünem Profil. Das ist ihnen offenbar so wichtig, dass sie bereit sind, einen Preisaufschlag dafür zu bezahlen. Noch werden Green Bonds in der Regel zu einem höheren Preis als herkömmliche Anleihen ausgegeben. Daraus ergibt sich ein Renditeverzicht – das sogenannte Greenium. Investoren verzichten also freiwillig auf Rendite, damit ihr Geld in einen grünen Zweck fließt. Das klingt zugegebenermaßen irrational – und so funktioniert Kapitalismus nicht. Das Greenium wird also auf lange Sicht verschwinden. Es fragt sich bloß: Wann?
Aus Risikoperspektive ist es unsinnig, Bonds mit nachhaltigem Etikett anders zu bepreisen als herkömmliche. Denn ESG-Bonds bergen dieselben Emittentenrisiken, bieten also die gleichen Chancen, zurückgezahlt zu werden wie Plain-Vanilla-Titel. Auch ihre Struktur ist vergleichbar, und sie werden von Ratingagenturen dementsprechend auch nicht schwächer bewertet. Trotzdem: Daten der Climate Bonds Initiative belegen, dass in den Jahren 2016 bis 2019 rund 22 Prozent der europäischen Emissionen grüner Anleihen ein Greenium aufwiesen.
Im Jahr 2020 waren laut CBI dann gar mehr als 70 Prozent der europäischen grünen Anleihen deutlich überzeichnet. Weil die Nachfrage nach nachhaltigen Investments so sehr steigt, klettert auch das Greenium.
Um den Investitionsstau aufzulösen, müsste das Angebot stark steigen. Die Emittenten haben inzwischen tatsächlich erkannt, dass Klimaschutz und soziale Belange nicht mehr zu ignorieren sind. Trotzdem waren in Europa 2020 gerade mal acht Prozent der Neuemissionen ESG-Bonds. Im ersten Halbjahr 2021 stieg dieser Wert auf 18 Prozent.
Die Ratingagentur Moody’s erwartet, dass noch in diesem Jahr ESG-Anleihen im Wert von 650 Milliarden US-Dollar auf den Markt kommen – 375 Milliarden US-Dollar werden es allein bei den Green Bonds sein. Das Angebot wächst also mit enormer Geschwindigkeit. Bei größerer Auswahl können Investoren gut und gerne wählerischer sein. Ist der Renditeverzicht dann noch nötig?
Wir haben uns zu dem Thema umgehört. Sebastian Zank, Executive Director bei der Ratinagentur Scope, ist überzeugt, dass Investoren nicht mehr allzu lange auf Rendite bei Green Bonds verzichten müssen. Michael Kobel, Portfoliomanager beim Fondsanbieter Union Investment, hält diese Hoffnung für verfrüht.

Pro: Sebastian Zank, Executive Director bei Scope

Das Greenium dürfte vermutlich recht schnell verschwinden – wahrscheinlich noch in diesem Jahr. Gerade im Jahr 2021 zeigt sich ein rasanter Anstieg des Platzierungsvolumens von Anleihen mit ESG-Bezug. Außerdem wächst das Angebot wesentlich schneller als die Nachfrage. Der Markt wird also schnell erwachsen. Gerade wenn Investoren durch das größere Angebot die Chance bekommen, wählerischer zu sein und sich die Neuemissionen im Detail anzuschauen und die Kalkulation zu Risiko-Rendite-Laufzeit hinreichend abwägen können.
Contra: Michael Kobel, Portfoliomanager bei Union Investment

Trotz des rasanten Wachstums an Green-Bond-Emissionen steigt das durchschnittliche Greenium weiter an – die Nachfrage bleibt also deutlich größer als das Angebot. Deshalb ist kaum damit zu rechnen, dass Angebot und Nachfrage bei nachhaltigen Anleihen schnell ins Gleichgewicht kommen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Zentralbanken bei ihren Anleiheankäufen ebenfalls einen stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeit legen wollen und so das Ungleichgewicht zu Lasten der nachhaltigen Investoren noch verschärfen.
Und was ist nun die Conclusio?
Mit der These, dass das „grün“ einer Anleihe in unserem kapitalistischen System kaum einen Preisaufschlag rechtfertigt, dürften die meisten einverstanden sein. Viele von Ihnen rechnen wahrscheinlich schon damit, dass das Greenium über kurz oder lang verschwinden wird.
Trotzdem: Der Markt agiert eben selten nach Lehrbuch. Oder um es mit den Worten von CSU-Politiker Horst Seehofer zu sagen „Markt ist purer Wahnsinn.“ Selbst der Statistiker Nassim Taleb schreibt in seinem Buch "Der schwarze Schwan": Wir können eben nicht vorhersagen.
Formulieren wir es so: Vieles spricht tatsächlich dafür, dass das Greenium noch in diesem Jahr verschwinden könnte. Doch solche Prognosen sind eben keinen Prophezeiungen, sondern höchstens eine Orientierungshilfe.

Stabile Erträge in unsicheren Zeiten
HTM Aktien Value Protect ESG
· Fondsberater: HanseMerkur Trust AG
· Verwaltungsgesellschaft: Universal Investment
· Gattung: Aktienfonds
· ISIN: DE000A2QSGH4
· Fondsvolumen: 19,99 Mio. EUR (Stand: 30.07.2021)
· Laufende Kosten: 1,30 %
· Ausgabeaufschlag: 5,00 %
· Performance Fee: Bis zu 15 % der Rendite über dem Referenzwert
Was macht den Fonds zum ESG-Investment?
HanseMerkur Trust, Versicherungstochter der HanseMerkur Gruppe, hat diesen globalen Value-Fonds mit ESG-Schwerpunkt zusammen mit Universal Investment aufgelegt. Der HTM Aktien Value Protect ESG schließt Unternehmen aus kontroversen Branchen und mit kontroversen Geschäftspraktiken aus. Darüber hinaus orientiert sich das Fondsmanagement bei der Titelauswahl an Analysen der auf Nachhaltigkeit spezialisierten Ratingagentur MSCI ESG Research LLC.
Warum lohnt sich ein Blick?
Interessant ist der Fonds vor allem für Investoren, die extreme Kursrücksetzer scheuen. Denn das Management sichert Investitionen mit Put-Optionen auf Aktienindizes ab. Mit dem Kauf solcher Optionen erwirbt der Käufer das Recht, Wertpapiere zu einem bestimmten Zeitpunkt für einen vorab vertraglich festgelegten Kurs zu verkaufen. Im Gegenzug zahlt er dem Verkäufer eine Prämie. Käufer von Put-Optionen machen also Gewinn, wenn die Aktie, die sie zu einem bestimmten Basispreis gekauft haben, am Stichtag deutlich unter diesem Niveau liegt. Zugleich lassen sich Verluste begrenzen. Fällt der Kurs nicht oder steigt sogar an, zahlt der Käufer drauf. Investoren müssen also abwägen, ob ihnen das Mehr an Sicherheit die potentiellen Renditeeinbußen wert ist.

Köpfe, die Sie sich merken sollten
Aleksandra Njagulj baut ESG-Geschäft bei der DWS aus
Die Fondsgesellschaft DWS hat Aleksandra Njagulj zur weltweiten ESG-Leiterin für Immobilien ernannt. Die ausgebildete Architektin bringt nach Angaben der DWS mehr als 20 Jahre Erfahrung in den Bereichen Architekturdesign, Designmanagement und nachhaltiges Bauen mit und wurde für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet. Im vergangenen Jahr ehrte das britische Unternehmen edie Njagulj mit dem Sustainability Leaders Award. 2021 gewann sie den Future-Proof-Real-Estate-Woman-Award. Jetzt soll sie das Geschäft des deutschen Fonds-Marktführers ausbauen.
Neue Leiterin für globale ESG-Strategien bei Mercer
Sarika Goel ist die neue Leiterin für die Entwicklung nachhaltiger Investments bei Mercer. Goel ist schon seit 2010 bei der Unternehmensberatung tätig, früher war sie einmal Analystin bei der Royal Bank of Canada. Die neu geschaffene Position markiert für Mercer laut eigener Aussage den Beginn einer groß angelegten Nachhaltigkeitsoffensive. Künftig soll es im Bereich ESG 30 Prozent mehr Neueinstellungen geben als ursprünglich geplant.

Was uns diese Woche noch auffiel

1.) Grün lohnt auch bei Immobilien
Büro- und Gewerbeimmobilien, die ESG-Standards erfüllen, erzielen bis zu zehn Prozent höhere Preise am Markt, sagt André Heid, zertifizierter Sachverständiger für die Bewertung von Immobilien und Geschäftsführer bei Heid Immobilien. Der Haken: Es mangelt nach wie vor an messbaren Kriterien. „Selbst CO2-Emissionen können nicht zuverlässig ermittelt werden, weil die Datenlage vieler Unternehmen das nicht hergibt“, so Heid. Interessant, dass er trotz der bekanntermaßen schwachen Datenlage zu einer so präzisen Preisprognose kommt.

2.) Ratingagenturen im Fokus
Die europäische Finanzaufsicht ESMA hat sich für eine einheitliche Definition von ESG-Ratings ausgesprochen. Alle auf Nachhaltigkeit spezialisierten Agenturen sollen sich künftig nach dem Willen der EU-Regulierer registrieren müssen, damit die Aufseher ihre Arbeit besser überwachen können. Die Begründung: Falsche Nachhaltigkeitsbewertungen seien riskant, schließlich begünstigten sie Greenwashing, irreführende Werbung und somit letztlich eine Fehlallokation des Kapitals.

3.) Bonus gesichert – dank ESG
Banken koppeln die Bonuszahlungen ihrer Mitarbeiter immer häufiger auch an das Erreichen von ESG-Zielen. Das geht aus einer Umfrage der Nachrichtenagentur Bloomberg unter 20 europäischen Finanzhäusern hervor. Die Mehrheit der Befragten gab an, entweder ein Modell vorzubereiten, um die Mitarbeitervergütung an Erfolge bei Nachhaltigkeitskennzahlen zu koppeln, oder bereits über ein solches zu verfügen.

Diversity ist mehr als Gleichberechtigung
Es ist ein offenes Geheimnis: Wunsch und Wirklichkeit passen selten übereinander. Und doch ist es immer wieder ernüchternd, wenn harte Zahlen belegen, wie groß die Lücke zwischen Realität und Vorstellung ist. So auch bei dieser News:
Die deutschen Sparkassen haben kaum Frauen im Vorstand. Zum 30. Juni 2021 zählten die 373 Geldinstitute 911 Vorstandsmitglieder – und darunter waren gerade mal 53 Frauen. Die Frauenquote liegt in den Führungsetagen der größten kreditwirtschaftlichen Gruppe Europas damit bei mageren 5,82 Prozent. Und das, obwohl immerhin 63 Prozent der Beschäftigten weiblich sind.
Das Versäumnis wiegt umso schwerer, weil es dabei nicht nur um Gleichberechtigung geht. Traditionelle Banken stehen angesichts von Digitalisierung, Negativzinsen und neuen Wettbewerbern vor großen Herausforderungen. Studien zeigen, dass diverse Teams erfolgreicher, schneller und vor allem kreativer sind – letztendlich also die besseren Lösungen finden.
Nicht zuletzt schadet ein derart mickriger Frauenanteil auch der Reputation. Wenn Kunden, Bewerbern oder Investoren auf der Webseite des Unternehmens nahezu ausschließlich Männern entgegenblicken, können die Vorsätze noch so gut sein – hängen bleibt ein Bild von gestern, dem man Geldgeschäfte in Zukunft vielleicht lieber doch nicht anvertrauen möchte. Wer hier wohl bald den Weg freimacht?
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Autorin dieser Ausgabe: Alexandra Jegers + Marilena Piesker
Wir sind Redakteurinnen in der Wirtschafts- und Finanzredaktion wortwert. Wenn Sie Hinweise haben, Kommentare loswerden wollen, oder besondere Wünsche an unser Team haben, schreiben Sie uns gern an redaktion@esg-report.de.