ESG report #11: Schließen sich Krypto und ESG aus? | Klimaboni für Vorstände

Liebe Leserinnen und Leser,

eine Nachrichten-Seite oder eine Social-Media-Plattform öffnen, ohne mit neuesten Krypto-News bombardiert zu werden? Das war in den vergangenen Tagen kaum möglich. Kryptowährungen sind gekommen, um zu bleiben und gerade bei Ihren jüngeren Kundinnen und Kunden aktuell beliebt. Bekanntermaßen ebenfalls sehr gefragt bei der jungen Generation ist Umweltschutz. Doch lassen sich die beiden als Investitionswünsche miteinander vereinbaren? Immerhin gelten Kryptowährungen als wahre CO2-Schleudern. Wir haben bei Experten nachgefragt und Pro- und Contra-Argumente für beide Seiten gesammelt.

Außerdem haben wir diese Woche einen Tool-Tipp, der Ihnen dabei hilft, bei der EU-Taxonomieverordnung durchzusteigen. Im letzten Schluck geht es diesmal darum, welche Rolle Umweltschutz-Bemühungen bei Vorstands-Gehältern spielen.

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Frage der Woche

Sind Nachhaltigkeit und ein Engagement in Kryptowährungen miteinander vereinbar?

Der Bitcoin hat auf seinem Weg des Erwachsenwerdens gerade einen wichtigen Meilenstein hinter sich: In den USA ging im Oktober der erste Bitcoin-ETF an den Start. Der ProShares Bitcoin Strategy ETF bildet dabei Futures, also Terminkontrakte, auf die Währung ab. Auch mit einem neuen Allzeithoch machte die digitale Währung jüngst von sich reden – vergangene Woche knackte der Bitcoin erstmals die 66.000-US-Dollar-Marke.

Ihren Erfolg hat die Kryptowährung zu großen Teilen den Millennials zu verdanken – also Anlegerinnen und Anlegern, die zwischen den frühen 1980er-Jahren und der Jahrtausendwende auf die Welt kamen. Einer Umfrage der Website „The Tokenist“ zufolge ziehen 29 Prozent von ihnen ein Krypto-Investment einer Anlage in Aktien vor. Somit wird es Sie sicher kaum verwundern, wenn besonders Ihre jüngeren Kunden danach fragen.

Allerdings haben Kryptowährungen neben den starken Wertschwankungen noch einen entscheidenden Pferdefuß, der ebendiese Generation besonders interessieren dürfte: Der Umweltaspekt. Das Herstellen (“Mining”) von Bitcoins soll pro Jahr mehr Energie verbrauchen als ganz Argentinien. Schuld ist vor allem die energieintensive Proof-of-Work-Technologie, mit der Bitcoins derzeit produziert werden. Viele Umweltschützer sind deshalb der Ansicht, dass Krypto-Investments in einem ESG-Portfolio nichts verloren haben. Für sie dürfte es ein besonders großer Aufreger sein, dass sich laut einer MSCI-Analyse Kryptowährungen immer stärker unbemerkt in die Portfolios institutioneller Anleger „schleichen“. Mindestens 52 von MSCI ESG Research abgedeckte börsennotierte Unternehmen sind nämlich in Kryptowährungen investiert, zeigt die Analyse.

Für die Gegenseite ist der Umweltaspekt als Kritikpunkt ein alter Hut, da es in der Blockchain-Technologie bereits eine Nachfolgelösung zu Proof of Work gibt, die für die Coin-Herstellung viel weniger Energie benötigt: Proof of Stake. Krypto-Befürworterinnen verweisen außerdem gerne auf die sozialen Aspekte: Das digitale Geld ermöglicht vielen Menschen auf der Welt nämlich eine Teilhabe am Finanzsystem, denen das andernfalls verwehrt geblieben wäre.

Lässt sich aus Krypto- und ESG-Interesse also eine Allianz schmieden? Wir haben bei Experten nachgefragt.

Für und Wider

Pro: Katharina Gehra, Mitbegründerin und Geschäftsführerin vom Blockchain-Fondsanbieter Immutable Insight

Katharina Gehra (c) Oliver Betke

Aus meiner Sicht ist ein Portfolio, das Krypto-Investments enthält, mit einer nachhaltigen Anlagestrategie vereinbar, weil Blockchain und Krypto-Investments je nach Ausgestaltung sehr nachhaltig und klimafreundlich sind. Während Bitcoin als „Blockchain-Großmutter“ noch sehr energieintensiv war, ist die Nachfolgertechnologie mit Proof of Stake 99 Prozent weniger energieintensiv und teilweise sogar komplett CO2-neutral.

Contra: Mauricio Vargas, Finanzexperte bei Greenpeace

Mauricio Vargas (c) Felix Schmitt/Greenpeace

Wie umgehen mit Kryptowährungen? Das ist eine immer drängendere Frage für Investoren, die ihr Geld nachhaltig anlegen wollen. Die Antwort ist eindeutig: Weil Bitcoin und andere auf dem massiv klimaschädlichen Proof-of-Work-Funktionsprinzip basierende Tokens den Markt für Kryptowährungen dominieren, verbieten sich Investments in diese neue Assetklasse für ESG-Produkte und für Institutionen, die sich zur Einhaltung der Pariser Klimaziele bekennen. Auch in Fällen, in denen existierende Beteiligungen an Unternehmen zu quasi indirekten Engagements in Bitcoin & Co. führen, müssen Ausschlüsse erfolgen.

Was ist nun die Conclusio? Kryptowährungen sind nicht der Antichrist der ESG-Welt, das wäre zu einfach gedacht. Der hohe Energieverbrauch ist allerdings gerade beim Bitcoin nach wie vor ein Thema. Die Entwicklung geht aber auch bei Kryptowährungen in Richtung einer auf weniger Energieverbrauch basierenden Variante. Stellen Sie Ihren Kunden am besten die Argumente beider Seiten vor und sprechen Sie gemeinsam durch, worauf derjenige Wert legt.

Tool-Tipp

Orientierung im Taxonomie-Dschungel

27 Artikel auf 31 DIN-A1-Seiten: Die EU-Taxonomieverordnung ist ein Paragraphen-Monster, das kaum ein Laie von Anfang bis Ende aufmerksam lesen dürfte. Ein neues Tool der Ratingagentur Moody’s soll nun Abhilfe im Gesetzestext-Dickicht schaffen. Die Software trägt den Namen EU Taxonomy Alignment Screening und deckt sämtliche 100 in der Taxonomie als nachhaltig klassifizierte wirtschaftlichen Tätig­keiten ab. Mithilfe der Software lässt sich künftig ganz einfach prüfen, ob ein Unternehmen seine grünen Versprechen erfüllt – ganz ohne Suchen.

Mehr Informationen finden Sie hier.

Auf einen Blick

Was uns diese Woche noch auffiel

1) Klimawandel beeinflusst Anleihemärkte

1) Klimawandel beeinflusst Anleihemärkte

Bondanleger tun gut daran, Klimarisiken in ihre Entscheidungen miteinzubeziehen. Das jedenfalls legt eine jüngst publizierte Studie von UTS Sidney, Ardea Investment Management und Fortlake Asset Management nahe. Daraus geht hervor, dass der Klimawandel die Anleiherenditen sehr wohl beeinflusst: So würden Investoren Emittenten bestrafen, die beispielsweise bei der Abkehr von fossilen Brennstoffen hinterher hinken. Auch würden sie die Auswirkungen auf das künftige BIP eines Landes einpreisen, wenn dessen Wirtschaft stark von rückläufigen Industrien abhängig sei. Bonds von Klimasündern drohen schon bald zum Ladenhüter werden.

2) Neue ESG-ETFs bei der DWS

2) Neue ESG-ETFs bei der DWS

Die DWS hat ihr Angebot an ESG-Fonds weiter ausgebaut, und zwar mit sechs ETFs. Die passiven Vehikel bildeten vormals konventionelle Indizes nach und folgen nun nachhaltigen Indizes aus der MSCI-Select-ESG-Screened-Familie. So wird beispielsweise der Xtrackers MSCI World High Dividend Yield UCITS ETF durch den Wechsel zum Xtrackers MSCI World ESG Screened UCITS ETF. Die Pauschalgebühr sinkt von 0,29 auf 0,19 Prozent. Die ETFs kombinieren die Methodologie von MSCI für ESG-Screened-Indizes mit zusätzlichen Filtern, etwa für konventionelle Waffen.

3) London ist Hochburg für Green Finance

3) London ist Hochburg für Green Finance

Der wichtigste Finanzplatz für nachhaltige Geldgeschäfte befindet sich im Vereinigten Königreich, genauer: in London. Die britische Metropole sicherte sich den ersten Platz im Global Green Finance Index (GGFI), einem jährlichen Ranking der weltweit besten Standorte für nachhaltige Investments. Als Basis dient eine Umfrage unter 617 Investmentprofis in 74 Finanzzentren rund um den Globus. Im Jahr 2020 holte Amsterdam die Krone, dieses Jahr rutschten die Niederländer auf den zweiten Platz. Drittplatzierter ist San Francisco, gefolgt von Zürich auf der Vier.

EIn letzter Schluck

Keine Nachhaltigkeit, kein Bonus?

In Deutschlands Unternehmen gehört es mittlerweile zum guten Ton, sich selbst ehrgeizige CO2-Spar- und andere Nachhaltigkeitsziele zu setzen. Daran messen lassen will sich die Führungsebene aber offenbar nicht. Die Boni der Vorstände jedenfalls bleiben von der ESG-Performance ihres Unternehmens zum Großteil unberührt, fand eine Studie der BDO Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Kirchhoff Consult unter 160 Unternehmen aus DAX, MDAX und SDAX vor Kurzem heraus.

Demnach hängt die variable Vergütung des Vorstands lediglich bei einem Drittel der deutschen Konzerne an Kennzahlen, die mit Nachhaltigkeit zu tun haben. Die Angaben sind außerdem oft schwammig. Ein konkretes Datum, ab wann das CO2-Einsparziel denn erreicht sein soll, sucht man in den meisten Vergütungsberichten zum Beispiel vergeblich, berichten die Studienautoren. Greenwashing, könnte man meinen. Schließlich kann der Vorstand seine Umweltschutz-Bemühungen so bequem gegenüber der Öffentlichkeit bekräftigen („Seht her, mein Gehalt hängt am Klimaschutz!“) – ohne, dass es im Zweifel wirklich im Portemonnaie schmerzt, weil die Zahlen wegen mangelnder Standards irgendwie passend hingebogen werden.

Abschreiben sollte man die Idee der Klima-Boni aber nicht. Zum einen ist die Tatsache, dass sich Vorstände überhaupt an Klimazielen messen lassen, ein Schritt in die richtige Richtung. Zum anderen wird allein durch das schriftliche Fixieren der ESG-Ziele schon deutlich, was das Unternehmen vom Vorstand erwartet, welche Schwerpunkte er setzen soll. Kann er keine Erfolge vorweisen, hat das womöglich Folgen – selbst, wenn er diese am Jahresende (noch) nicht unmittelbar auf seiner Gehaltsabrechnung sieht. Künftig ist also auch hier mit einem strengeren Blick auf Topmanager zu rechnen.

Autorinnen dieser Ausgabe:

Alexandra Jegers + Mariam Misakian

Alexandra Jegers + Mariam Misakian

Wir sind Redakteurinnen in der Wirtschafts- und Finanzredaktion wortwert. Wenn Sie Hinweise haben, Kommentare loswerden wollen, oder besondere Wünsche an unser Team haben, schreiben Sie uns gern an redaktion@esg-report.de.

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